Arzt muss Patienten aufklären

TRIER/BITBURG. Ein Arzt muss einen Patienten vor einem riskanten Eingriff ausführlich aufklären und dessen Einwilligung einholen. Tut er das nicht und es kommt zu einem folgenreichen Behandlungsfehler, dann macht sich der Mediziner der Körperverletzung schuldig. Das urteilte nun das Trierer Landgericht.

Peter S. ist blind. Mit dem rechten Auge sieht er nichts mehr. Das war nicht immer so. Passiert ist es vor drei Jahren. Nach einer Laserbehandlung beim Augenarzt war plötzlich seine Sehkraft weg. Dabei wollte sich der 65-jährige Diabetiker vom Augenarzt nur den Augeninnendruck und die Sehschärfe messen lassen. Bei der Untersuchung hat der Mediziner dann festgestellt, dass die Gefäße beider Augen porös seien und sofort durch eine Laserbehandlung versiegelt werden müssten. Der Zustand sei dramatisch, es sei "eine Minute vor Zwölf", ließ der Augenarzt den kranken S. wissen. Mit der Behandlung könne man die ohnehin bereits schwache Lesefähigkeit des Auges zumindest erhalten. Der Eingriff selbst sei gefahrlos, sagte der Arzt. Kurze Zeit später ist das teure Präzisionslasergerät auf das betäubte Auge des Bitburgers gerichtet worden. Nach wenigen Minuten ist die Behandlung zu Ende gewesen, das linke Auge wollte sich S. ein anderes Mal lasern lassen, weil es ihm, wie er selbst sagt, weh getan hatte. Alle Risiken müssen genannt werden

Drei Tage später hat er gemerkt, dass er mit dem rechten Auge nichts mehr sehen konnte. Ein Augenarzt stellte fest, dass sein rechtes Auge blind war und wahrscheinlich nicht mehr heilbar ist. Auch ein Karlsruher Facharzt, zudem der 65-Jährige geschickt wurde, konnte ihm keine Hoffnung machen. "Da ist nichts mehr zu machen, rechts werde ich nie mehr was sehen können", sagt er verbittert. Der Bitburger zog daraufhin vor Gericht: Er wollte Schmerzensgeld von dem Augenarzt, der ihm sein rechtes Auge gelasert hatte. 25 000 Euro verlangte er von dem Mediziner. "Mir kommt es nicht auf das Geld an. Ich will Medizinern wie diesem Augenarzt das Handwerk legen", sagt S. Vermutlich habe der Arzt mit der Behandlung "einen schnellen Euro" machen und das teure Gerät auslasten wollen, glaubt der Anwalt Gottfried Bretz aus Bitburg. Der Arzt hat dies natürlich abgestritten. Er habe den zuckerkranken S. über alle Risiken der Behandlung aufgeklärt, auch dass die Gefahr einer Erblindung bestehe. Er habe aber keinen Fehler gemacht, sagte der Arzt. Denn dann wäre es bereits am Tag nach der Behandlung zum Verlust der Sehfähigkeit gekommen und nicht erst drei Tage später. Doch das Trierer Landgericht sah das anders. Die teilweise Erblindung des rechten Auges von S. sei unzweifelhaft auf die Laserbehandlung zurückzuführen. Der Arzt habe den schwer an Diabetes leidenden Patienten nicht über die möglichen Folgen der Behandlung aufgeklärt, und daher habe auch keine Einwilligung für den Eingriff vorgelegen, urteilte der zuständige Richter der vierten Zivilkammer. Damit liege eine Körperverletzung vor. Ein Patient müsse aufgeklärt werden über Art, Bedeutung, Ablauf und Folgen des Eingriffs, heißt es in der achtseitigen Urteilsbegründung. Auch wenig wahrscheinliche Risiken müssten genannt werden, genauso ob die Behandlung dringend notwendig ist und ob es Alternativen dazu gibt. Je problematischer der Eingriff, desto intensiver müsse die Aufklärung sein. Die Aufklärungspflicht von Ärzten ist eindeutig in Paragraf acht der Berufsordnung der Mediziner geregelt. Darin heißt es, vor der Einwilligung des Patienten zu einer Behandlung muss es eine Aufklärung "im persönlichen Gespräch" geben. Der Bundesgerichtshof ist sogar der Ansicht, dass Ärzte vor Operationen spätestens einen Tag vorher über mögliche Gefahren aufklären müssen, damit sich die Patienten frei für oder gegen den Eingriff entscheiden können. Peter S. hat diese Möglichkeit nicht gehabt. Obwohl, wie der Trierer Richter festgestellt hat, mit der Laserbehandlung ein "hohes Erblindungsrisiko" verbunden gewesen sei. Dem Bitburger stehe daher auch Schmerzensgeld zu. Über die Höhe soll später geurteilt werden. Das Urteil des Trierer Landgerichts (AZ.: 4 O 100/04) dürfte durchaus richtungsweisend sein. Mehr als 5000 Patienten lassen sich pro Jahr freiwilig die Augen lasern, um danach auf ihre Brille verzichten zu können. Vor vier Jahren entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem ähnlichen Fall auch so: Einem Mann, der nach einer Laserbehandlung auf dem rechten Auge fast nichts mehr sieht, sprach das Gericht Schmerzensgeld von rund 25 000 Euro zu.

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