Atom-Gerücht setzt Region in Aufruhr

METZ/ Saarbrücken/TRIER. Gestern, kurz nach 14 Uhr, lief in der Redaktion der Saarbrücker Zeitung ein Film ab wie in einem Albtraum. Kurz nacheinander gingen Telefonanrufe von besorgten Lesern ein, wonach in Metz die Kinder wegen erhöhter Radioaktivität der Luft die Schule nicht mehr verlassen sollten.

An der Grenze zu Luxemburg seien bereits die Straßen gesperrt; die Leute sollten sich nicht mehr ins Freie begeben. Zudem habe das Atomkraftwerk Cattenom die erhöhten Radioaktivitätswerte bestätigt. Polizei spricht von Fehlalarm

Dies alles verdichtete sich in den Köpfen der Beteiligten, die plötzlich per Telefon die Schreckensberichte entgegennahmen, zur Horrorvision, dass sich in Cattenom ein Unfall mit radioaktiver Gefahr für die Umwelt ereignet haben könnte. Doch zum Glück gab es eine umgehende Entwarnung: Das Lagezentrum der saarländischen Polizei sprach von einem Fehlalarm. Ähnlich war der Erkenntnisstand beim Sender RTL in Luxemburg, wo bereits um 13.39 Uhr auf der Internet-Seite nachzulesen war: "Falschen Alarm: Et get keng radioaktiv Fuite zu Cattenom an och soss keng Gefoer - Es gibt keinen radioaktiven Austritt in Cattenom und auch sonst keine Gefahr." Mit ähnlichen besorgten Anrufen wie die Zeitung wurde auch der für Strahlenschutz zuständige Referatsleiter des Saarbrücker Umweltministeriums, Lorenz Kasper, überhäuft: "Was ist dran an den Informationen? Müssen wir jetzt im Haus bleiben?" Doch bei Kasper, der sich umgehend um Kontakte mit den offiziellen Stellen in Lothringen und im Großherzogtum bemühte, kehrte rasch wieder Ruhe ein. In Metz hieß es, der Präfekt habe eine Pressekonferenz einberufen, um über den nuklearen Fehlalarm aufzuklären. Ebenso lautete die Botschaft der luxemburgischen Regierung: "Ein grotesker Fehlalarm." Nach allen Informationen, die der Saarbrücker Zeitung gestern am späten Nachmittag zur Verfügung standen, hatten eine Menge kurioser Berichte und Falschmeldungen die Nuklear-Panik begünstigt. Zunächst hatten lothringische Zeitungen berichtet, dass die lothringische Vereinigung für die Qualität der Luft (ALQA) am Sonntag eine erhöhte Radioaktivität gemessen habe. Die Strahlung habe am Sonntagmorgen in Nancy den normalen Pegel um das Dreifache überschritten, und zwar in der Zeit zwischen 8.08 und 11.34 Uhr. Gleichzeitig soll im französischen Rundfunk die Nachricht verbreitet worden sein, dass gestern auch in Metz eine erhöhte Strahlung registriert worden sei, wie es im Übrigen die Nuklearzentrale Cattenom bestätigt habe. Schließlich soll in einem Hospital in Metz eine Übung zur Dekontamination, zur Reinigung von verstrahlten Gegenständen stattgefunden haben. Zu allem Überfluss kam es gestern gegen Mittag zu einer Sperrung der Autobahn A 8 im luxemburgisch-lothringischen Grenzraum - und zwar wegen eines ganz normalen Unfalls. Das wussten aber die Leute, die im Stau standen nicht. Einige von ihnen gerieten offenbar wegen der Radioaktivitäts-Meldungen und der Nähe zum Atomkraftwerk in Panik. Sie riefen per Handy Verwandte und Bekannte an, um sie über einen vermeintlichen Atomunfall zu unterrichten. Auf diese Weise nahm das Unheil seinen Lauf. Nach 16 Uhr gab die Metzer Präfektur eine Pressemeldung heraus, die die Überschrift trug: "Aufregung unbegründet". Auf Grund einer lokal gemessenen Erhöhung der Radioaktivität, so hieß es, sei es zu einer Beunruhigung der Bevölkerung gekommen, was sogar zur Schließung einiger Schulen geführt habe. Aber im Département Moselle habe man überhaupt keine erhöhten Werte der Radioaktivität gemessen. Eine Untersuchung der Verwaltung solle nun klären, wie es zum Durcheinander kommen konnte. In Saarbrücken bestätigte der Strahlenschutz-Fachmann der Landesregierung, Lorenz Kasper, dass auch an den saarländischen Messstellen in Berus, Biringen und Perl keine erhöhten Werte aufgetreten seien. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Radioaktivität in Bodennähe bei aufziehenden Gewittern lokal und zeitlich begrenzt deutlich erhöht sein könnte. Das hänge mit dem aus dem Boden austretenden radioaktiven Edelgas Radon und mit der gleichzeitig ausgewaschenen Radioaktivität der Luft zusammen. Solche Phänomene seien häufiger zu beobachten, bedeuteten aber keine Gefahr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort