Auch Nagelplättchen im Waffenarsenal? - Weitere Vorwürfe gegen mutmaßlichen Autobahnschützen

Kall · Zwischen April 2011 und März 2012 legte ein Unbekannter im Kreis Euskirchen kleine Nagelplatten auf Straßen aus. 200 Mal wurden Reifen beschädigt. Die Polizei scheint nun eine heiße Spur zu haben. Sie führt ausgerechnet zu einem alten Bekannten - der Verdächtige 57-jährige aus Kall muss sich seit Juni als mutmaßlicher Autobahnschütze verantworten.

 Eine gewisse handwerkliche Professionalität ist zur Herstellung dieser Nagelplättchen erforderlich.

Eine gewisse handwerkliche Professionalität ist zur Herstellung dieser Nagelplättchen erforderlich.

Foto: Kölnische Rundschau/Franz Küpper

Die Anwohner in dem Ort bei Kall dachten wohl an ein Déjà-vu: Gestern parkten vor einem Einfamilienhaus wieder BMW-Kombis mit Wiesbadener Kennzeichen, dazu ein Streifenwagen der Polizei - ein ähnliches Szenario wie vor zwei Monaten.

Ende Juni wurde in diesem Haus der mutmaßliche "Autobahnschütze" festgenommen - wegen des dringenden Tatverdachts, in über 700 Fällen Autotransporter, andere Fahrzeuge und Gebäude von der Autobahn aus beschossen zu haben. Einen Tag später wurde der 57 Jahre alte Lkw-Fahrer beim Amtsgericht Würzburg vorgeführt und in Haft genommen. Einer der großen Kriminalfälle der vergangenen Jahre ist damit offenbar aufgeklärt.

Gestern waren die Ermittler wieder in dem Haus. Norbert Hardt, Sprecher der Euskirchener Polizei, bestätigte lediglich, dass dort eine Durchsuchung durchgeführt wurde - darüber hinaus war nichts zu erfahren. Gleiches galt fürs Bundeskriminalamt in Wiesbaden.

Und ähnlich reagierte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg, die federführend im Fall der Schüsse auf den Autobahnen ist: Ja, es habe eine Durchsuchung stattgefunden. Ja, es gehe um die gleiche Person wie vor zwei Monaten. Aber nein, nicht um den gleichen Fall. In diesem Fall sei die Staatsanwaltschaft Aachen zuständig.

Nicht gestreut, sondern gesetzt

Deren Sprecher, Dr. Jost Schützeberg, wartete auf Nachfrage der Rundschau dann mit einer faustdicken Überraschung auf: Der Tatvorwurf laute auf gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in fast 200 Fällen. Und zwar durch Auslegen sogenannter Nagelplättchen.

Um diese war es in den vergangenen Monaten zwar recht still geworden, zwischen April 2011 und März 2012 hatten die als "Reifenkiller" bezeichneten Konstruktionen aus einem Stahlplättchen und einem leicht angespitzten Nagel die Autofahrer allerdings in Atem gehalten. Vor allem im Raum Kall, Hellenthal, Schleiden und Mechernich wurden die Plättchen gefunden - rund 200 insgesamt.

Die Polizei fand heraus, dass die Plättchen nicht auf die Straßen gestreut, sondern gezielt auf den Fahrspuren ausgelegt wurden. Meist wurden sie frühmorgens oder in den Abendstunden platziert. Zahlreiche Autofahrer fuhren darüber und und meldeten beschädigte Reifen. Die Polizei war aber besorgt, dass weit Schlimmeres passieren könnte. Doch glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden. Der Sachschaden ist jedoch immens.
In einer der größten Befragungsaktionen der vergangenen Jahre suchte die Kreispolizei im März 2012 insgesamt 170 metallverarbeitende Betriebe auf, um herauszufinden, mit welchen Maschinen die Nagelplättchen hergestellt worden sein könnten. Danach stand für die Ermittler fest, dass die Plättchen kaum im Hobbykeller gebastelt wurden und zur Herstellung hohes handwerkliches Geschick nötig sei.

Es wurde eine Belohnung in Höhe von 500 Euro ausgesetzt - doch der Nagelplättchen-Bastler blieb ein Phantom, die Polizei tappte im Dunkeln. Dies hat sich nun offenbar geändert. Jedoch: Wie die Ermittler auf die Spur des 57-Jährigen kamen und ob dies möglicherweise im Zusammenhang mit den Ermittlungen im Fall der Autobahnschüsse steht, darüber schwiegen sich Polizei und Staatsanwaltschaft gestern mit Verweis auf die Ermittlungen aus. Diese werden sich laut Schützeberg wohl noch einige Wochen hinziehen.

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