Auch totgesagte Gemeinden leben (manchmal) länger

Schon viele Journalisten sind in das Eifeldörfchen Hamm gepilgert. Mit Worten, die unter die Haut gehen, porträtierten sie an Hamms Beispiel das Sterben der Dörfer. Dabei ist die Gemeinde in Wirklichkeit gewachsen.

Hamm. Majestätisch thront das Schloss auf einem Bergrücken. Darunter ducken sich ein paar Häuser. Ringsum zieht die tosende Prüm eine Schleife. Das winzige Dorf Hamm. Postkartenidyll in einem entlegenen Winkel des Eifelkreises Bitburg-Prüm.
So oft, wie dieses Dörfchen schon totgesagt wurde, müsste es längst von der Landkarte verschwunden sein. Der SWR war da, um an Hamms Beispiel das Dörfersterben zu veranschaulichen. Der Express und die Badische Zeitung haben berichtet. Und selbst der Focus kam.
"Die Jungen sind abgewandert, die Alten geblieben. Immer kleiner wird die Gemeinde und immer älter. Die Frauen stehen tagsüber in ihren Beeten, stundenlang, fast reglos, den Kopf zum Boden geneigt. Wie Schilfrohre, die sich sachte im Wind wiegen. Ab und zu beugen sie sich hinab, um ein Büschel Unkraut zu ziehen", schreibt der Focus-Autor in einer Reportage, die unter die Haut geht.
Sie erzählt von Katzen, die Angst vor Kindern haben. Denn Kinder sind sie nicht gewöhnt. Von der Heidenarbeit, die es den Alten macht, die vielen leeren Stockwerke ihrer Häuser zu putzen. Von Traktoren, die wie die Gerippe einer Dinosauriersammlung in der Scheune aufgereiht sind. Denn der letzte Landwirt hat seine Landwirtschaft aufgegeben. Sie erzählt von einem Dorf, das stirbt.
So anschaulich, dass man gar nicht auf die Idee kommt, dass daran etwas nicht stimmen könnte. Doch zeigt ein Blick in die Datensammlung des Statistischen Landesamts: Hamm ist gewachsen. 1995 hatte es nur 25 Einwohner. 2010 waren es 32. Das ist ein Zugewinn von 28 Prozent. Inzwischen sind es zwar wieder ein paar weniger. Doch immer noch mehr als 1995.
"Wir fühlen uns dem Zweck gebeugt", sagt Ferdinand Graf von Westerholt, Burgherr und Ortsbürgermeister. Dem Zweck, als Statisten eines sterbendes Dorfes zu dienen. Die Journalisten hätten ausgeblendet, dass Familien des Dorfes gemeinsam einen Windpark und eine Wasserkraftanlage betreiben. Keine Rede sei vom Standesamt auf dem Schloss gewesen, der Ferienwohnung, den Führungen oder Konzerten.
Vor einiger Zeit sei eine junge Familie hinzugekommen. Doch es sei auch jemand gestorben. 27 oder 28 Hammer müsste es nun geben, sagt von Westerholt. Er könnte sie alle einzeln aufzählen. Wie es weitergeht, weiß er nicht. Erneuerbare Energien und der Tourismus könnten der Eifel Auftrieb geben.
Oder auch, dass Menschen irgendwann wieder einen Wert darin sehen, dass sich nichts verändert. kah

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