Aufbruch zu grüneren Weiden

Hontheim-Wispelt · Bio sei Dank: Nach mageren Jahren schreibt der Schneider-Hof in Hontheim seit kurzem schwarze Zahlen. Denn Biomilch wird gut bezahlt. Ein Besuch auf dem Bauernhof zeigt allerdings: Ein Spaziergang ist solch eine Umstellung nicht.

Aufbruch zu grüneren Weiden
Foto: (g_pol3 )

Obwohl der Stall weit weg ist, liegt im Flur des Eifeler Bauernhauses ein Hauch des warm-würzigen Geruchs, der für Kühe so typisch ist. Auf dem Tisch steht ein braunes Steingutkännchen mit Milch, wie es sie nicht mehr zu kaufen gibt. Sahnig, vollmundig und völlig unbehandelt.Endlich schwarze Zahlen

Sein Vater kaufte immer Dosenmilch - auch als Zeichen, dass er sich das leisten konnte. Gustav Schneider (54) und seine Frau Karin (53) jedoch trinken nur ihre eigene Milch. Seit kurzem ist diese ökozertifiziert. Und ihr Bioland-Hof in Hontheim-Wispelt, im Süden der Vulkaneifel schreibt schwarze Zahlen. Endlich.

Zuvor ging es ihrem Betrieb trotz einer Ferienwohnung und Karin Schneiders festem Job so, wie es derzeit vielen Bauern geht: schlecht. Ist der Preis für konventionelle Milch mit nicht einmal 30 Cent pro Liter doch viel zu niedrig. Viele Betriebe sind kurz davor aufzugeben. So mancher überlegt auch, auf Bio umzusatteln. Lässt sich damit doch derzeit gutes Geld verdienen.Schwerpunkt Unser täglich Brot

Allerdings warnen Experten wie der regionale Bauernpräsident Michael Horper, dass der Schritt gut durchdacht sein muss. Denn die Umstellung dauert zwei Jahre. Erst danach werden die höheren Biopreise gezahlt. Der Ertrag bricht jedoch sofort ein, sobald man auf Kunstdünger, Pestizide oder Kraftfutter verzichtet. Die Umstellung wird so zur Durststrecke, die auch die Schneiders nur überstanden, weil sie 2015 rund 14 000 Euro aus einer Lebensversicherung in den Betrieb steckten.

Horper betont, beim Ökolandbau müssten Fachwissen und Passion zusammenkommen. Man müsse sowohl ein guter Ackerbauer als auch ein guter Viehhalter sein.

Gustav Schneider wusste schon 1986, gleich nach seinem Studium der Agrarwissenschaft, dass er Biolandwirt werden möchte. Doch erst 30 Jahre später ist er den Schritt gegangen. Warum? Liegt es am Image? "Wenn jemand sagt, ,ich mache Bio', dann ist das in der Eifel immer noch so, wie wenn man früher sagte ,ich bin schwul'", sagt der Agraringenieur und gießt sahnige Milch in seinen Kaffee. Doch daran lag es nicht. Das Hauptproblem sei gewesen, eine Molkerei zu finden. Hochwald habe von Bio nichts wissen wollen. Nun ist Schneider zu Arla gewechselt, die schon jetzt die weltweit größte Biomolkerei ist und in dem Bereich weiter wachsen möchte. Rund 50 Cent bekommen die Hontheimer seit November für einen Liter Milch - und sind ihre Finanzsorgen los.

Dafür mussten sie im Stall und auf den 90 Hektar Wiesen, Weiden und Äckern in den vergangenen zwei Jahren allerdings vieles verändern. Klebkraut, Vogelmiere oder Disteln entfernen sie nun mechanisch mit einem Striegel. Spritzen ist tabu. Sie können auch keine Futterrüben mehr anbauen. "Die schaffen es nicht gegen das Unkraut", sagt Schneider. Neben Heu und Silage bekommt das Vieh täglich geschrotetes Getreide.

Gedüngt wird nur noch mit betriebseigener Gülle und mit Klee, der mit Hilfe von Knöllchenbakterien Stickstoff im Boden anreichert. Allzu fruchtbar ist der leider dennoch nicht. Dafür steinig und so sauer, dass Kalk gut tut. Doch kalken kostet. Wenn das Wetter nicht mitspielt, reichen selbst die 90 Hektar nicht aus, um genug Futter für die Kühe zu produzieren. Flächen seien knapp und teuer, sagt der Landwirt - auch wegen der Konkurrenz durch Biogasanlagen und wegen Städtern, die ihr Geld in Land anlegen.

Futter zukaufen ist für Biolandwirte jedoch gar nicht so einfach. Die wenigen Öko-Kollegen der Umgebung sind ja selbst froh, wenn sie genug Heu und Getreide haben. "Und man muss aufpassen, dass man sich bei dem Zertifizierungszirkus nicht irgendwo rausschießt." So müsse nicht nur das Futter selbst biozertifiziert sein, sondern auch der Händler, der es verkauft. Zum Glück der Schneiders hat ein befreundeter Landwirt ebenfalls umgestellt, so dass die Kühe auch auf seinen Weiden grasen können.

Den Stall, der oberhalb des kleinen Ortes auf einer ehemaligen US-Radarstation steht, hatte Schneider 2002 direkt so groß bauen lassen, dass er 40 Milchkühen reichlich Raum und Liegeplätze bietet. Drinnen riecht es intensiv nach Heu, Kuh und Gülle, die mit Hilfe eines breiten Schiebers automatisch vom Stallboden entfernt wird. Muhend kommt das neugierige Fleckvieh angelaufen. Jedes Tier hat einen Namen.Der Nachwuchs braucht Auslauf

Die Kälbchen stehen in einem Anbau. Für sie musste der Hof bei der Umstellung investieren. Denn der Nachwuchs braucht den Biovorschriften zufolge unmittelbar beim Stall auch einen Auslauf.

Sobald der Frühling da ist, werden alle Kühe auf die Weiden gelassen, von wo aus sie einen fantastischen Ausblick über die geschwungene, von Vulkankuppen durchbrochene Hochebene der Eifel haben, Wildkräuter wiederkäuen und dabei wahrscheinlich aussehen, wie man sich Biokühe vorstellt.

"Unsere Perspektive ist durch Bio jetzt wieder positiv", sagt Karin Karst-Schneider. Ob eines ihrer Kinder dadurch Lust bekommt, den Hof weiterzuführen ist allerdings ungewiss. Doch das ist ein anderes Thema.

Im Stall und auf dem Teller: Im Rahmen des Themenschwerpunkts "Unser täglich Brot" beleuchtet der Volksfreund in den kommenden Wochen und Monaten die Lage der Landwirtschaft zwischen Milchkrise und Farming 4.0. Zudem zeigen wir, welche Wege unsere Lebensmittel hinter sich haben, bis sie auf dem Teller landen.Extra

Gefragte Lebensmittel: Nach Angaben der Ökobranche war 2015 der Umsatz mit Naturkost in Deutschland um elf Prozent auf 8,62 Milliarden Euro gestiegen. Erstmals seit 2008 verzeichnete der Markt dem Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zufolge wieder ein zweistelliges Wachstum. Stark gefragt gewesen seien bei den Verbrauchern im Vorjahr vor allem Bioeier sowie Mehl, Speiseöl und Milch aus ökologischer Erzeugung, ergab eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK. Auch wenn Naturkostläden beim Geschäft mit Biolebensmitteln immer noch eine große Rolle spielen - das Hauptgeschäft mit den Produkten machen nach einer repräsentativen Infas-Umfrage vor allem Supermärkte (86 Prozent) und Discounter (66 Prozent). 54 Prozent der Befragten nannten den Naturkostladen als Ort, in dem sie Bio-Lebensmittel einkaufen. Die ökologisch bewirtschaftete Agrarfläche in Deutschland ist nach Angaben von BÖLW-Chef Felix Prinz zu Löwenstein im Vorjahr zwar um 2,9 Prozent auf 1,077 Millionen Hektar gewachsen. "Das reicht aber nicht, um auf das starke Wachstum des Naturkost-Marktes aufzuschließen", unterstrich er. Auch Greenpeace befürchtet, dass die Bundesregierung deutlich hinter ihrem selbst gesteckten Ziel zurückbleibt, bis 2020 rund 20 Prozent der Anbaufläche auf Ökolandbau umzustellen. Derzeit liegt der Anteil der Öko-Agrarflächen im Bundesschnitt bei acht Prozent. dpa Unter www.bioeinkaufen-rlp.de informiert die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz nach Regionen gegliedert über Landwirte, Hofläden, Winzer und weitere, die Bioprodukte anbieten.Extra

2015 haben 200 rheinland-pfälzische Landwirte Fördermittel für die Umstellung auf Bioproduktion beantragt - das Landwirtschaftsministerium geht daher davon aus, dass die Biofläche sich bis Ende 2016 auf 60 000 Hektar vergrößert. 13,2 Millionen Euro Fördergeld wurden 2015 in die ökologische Landwirtschaft investiert. So viel wie noch nie. 2011 waren es noch 6,5 Millionen Euro. Die Mittel fließen im Rahmen des rheinland-pfälzischen Programms für ländliche Entwicklung (Eulle) und stammen zur Hälfte von der EU. Die Bundesregierung strebt an, dass bis 2020 20 Prozent der Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken fordert ebenso wie der Deutsche Bauernverband, das Bundesprogramm Ökologische Landwirtschaft von 17 auf 60 Millionen Euro aufzustocken. Die Landesregierung hat die Fördermittel deutlich erhöht. So gibt es für die Umstellung von Acker- oder Grünland in Rheinland-Pfalz nun 300 statt 240 Euro pro Hektar. Laut Landwirtschaftsministerium liegt man damit bundesweit allerdings lediglich im Mittelfeld. Zudem fördert Rheinland-Pfalz Erzeugerzusammenschlüsse und hat seine Beratung ausgebaut: Das Beraterteam im Kompetenzzentrum ökologischer Landbau in Bad Kreuznach wird 2016 von zehn auf zwölf Stellen verstärkt. Eine weitere Fördermaßnahme: Rund 20 Prozent der im Rahmen des Schulobstprogramms gelieferten Früchte stammen aus ökologischer Landwirtschaft. MosExtra

 Gustav Schneider füttert seine 40 Kühe mit Heu und geschrotetem Getreide. Im Idealfall baut er alles selbst an. TV-Fotos (3): Katharina de Mos

Gustav Schneider füttert seine 40 Kühe mit Heu und geschrotetem Getreide. Im Idealfall baut er alles selbst an. TV-Fotos (3): Katharina de Mos

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 Neugierig und zutraulich sind die Kälbchen am Schneider-Hof.

Neugierig und zutraulich sind die Kälbchen am Schneider-Hof.

Foto: (g_pol3 )

Rheinland-Pfalz ist beim Ökoweinbau bundesweit die Nummer eins. Laut Thomas Griese, dem für Weinbau zuständigen Staatsminister, liegen zwei Drittel der Bioweinflächen in Rheinland-Pfalz. In den vergangenen drei Jahren sei die Fläche um ein Drittel gewachsen. Mehr als 400 Weinbaubetriebe produzieren nach den Ökokriterien. Mos

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