Auslaufmodelle: Diplom, Magister und Langzeitstudenten

Trier · Im vergangenen Wintersemester sind an der Universität Trier noch etwa 1100 Studierende für den Magister, das Diplom oder das "alte" Lehramt Staatsexamen eingeschrieben gewesen. Bis Ende September 2016 müssen sie die Prüfungen abgeschlossen haben - in Ausnahmen bis Ende des Sommersemesters 2018. Das gilt auch für die 300 Studierenden, die seit über 20 Semestern eingeschrieben sind - der älteste Student studiert seit 76 Semestern.

 Studenten sitzen im Audimax der Trierer Universität. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Studenten sitzen im Audimax der Trierer Universität. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Trier. Tom, 29, ist ein sogenannter Langzeitstudent (siehe Stichwort). Er studiert im 20. Semester an der Uni Trier. Die Uhr tickt, spätestens im September kommenden Jahres muss und will er seine Prüfungen abgeschlossen haben. Rückblickend sagt Tom: "Vielleicht hätte ich etwas schneller sein können, aber ich bin zufrieden."
Dass er die doppelte Regelstudienzeit benötigt, ist zum einen seinem Job geschuldet. "Mit dem Nebenjob finanziere ich mein Studium und meine Wohnung", erklärt der Trierer Student. Zum anderen hat Tom viele Uni-Veranstaltungen besucht, die ihn interessieren. "Das ist ja der Ursprungsgedanke des Studiums, sich breit zu bilden und Eigenständigkeit zu entwickeln", meint er. Studieren und damit reifen braucht seiner Meinung nach Zeit und Freiheiten.
Das seiner Meinung nach enge Raster der Bachelor- und Master-Studiengänge bewirke eher das Gegenteil. Nach drei Jahren soll man den Bachelor in der Tasche haben, und die Note entscheidet, wer noch den Master daraufsetzen darf. Weil Langzeitstudenten dem Vorurteil, faul zu sein und nur getrödelt zu haben, ausgesetzt sind, und in Trier jeder jeden kennt, heißt Tom in Wirklichkeit anders. Auch was er studiert, möchte er nicht in der Zeitung lesen. Erst jetzt auch fühlt sich der Endzwanziger reif für einen Job. "Vor vier, fünf Jahren wäre ich es nur auf dem Papier gewesen", sagt er.20 Semester und mehr


Nach der jüngsten Statistik der Uni Trier aus dem vergangenen Wintersemester sind noch 549 Studierende für den Magister eingeschrieben, 260 fürs Diplom und 281 für das "alte" Lehramt Staatsexamen. Bis heute dürfte sich die Zahl etwas reduziert haben. Das teilte Uni-Sprecher Peter Kuntz auf TV-Anfrage mit. Exakt 289 Studierende seien länger als 20 Fachsemester an der Uni Trier eingeschrieben. Der älteste Student studiert im 76. Fachsemester. In welchem Studiengang und ob Mann oder Frau, wollte Kuntz nicht beantworten. An der Hochschule Trier bringt es der Spitzenreiter laut Hochschulsprecherin Jutta Straubinger auf 46 Semester. Bis September 2016 haben Tom und die weiteren 288 "Dinosaurier", wie Langzeitstudierende häufig bezeichnet werden, an der Uni Trier noch Zeit. "Geplant ist, dass Prüfungen bis zum Ende des Sommersemesters 2016, am 30. September, abgeschlossen sein müssen", sagt Kuntz. Dies sei in Aufhebungsordnungen festgelegt. Auf Antrag kann laut Uni-Sprecher beim Prüfungsausschuss die Frist noch verlängert werden.Hinausschieben in Härtefällen


Vorausgesetzt, es können Gründe für die Verlängerung nachgewiesen werden, und die Chancen, das Studium erfolgreich zu beenden, stehen gut. Ein Hinausschieben über das Sommersemester 2016 ist in Härtefällen nur mit Genehmigung des Prüfungsausschusses möglich. Zu Härtefällen zählen etwa längerfristige Erkrankungen oder die Pflege von Angehörigen sowie Kindern. Endgültig Schluss ist laut Kuntz Ende des Sommersemesters 2018.
Über die Stichtage der "alten" Studiengänge seien alle betroffenen Studierenden mehrfach per Mail und per Brief informiert worden, sagt der Uni-Sprecher. Mit dem Ende von Diplom und Magister wird auch das Ende der Langzeitstudenten eingeläutet.
Extra

In Rheinland-Pfalz wird das Thema Studiengebühren für Langzeitstudierende kontrovers diskutiert. Die rot-grüne Landesregierung hatte mit Beginn des Sommersemesters 2012 die Studiengebühren für Langzeitstudierende abgeschafft. Damit ist zurzeit laut Hochschulgesetz das Erststudium in Rheinland-Pfalz stets gebührenfrei. Vorher mussten Studenten, die die Regelstudienzeit um mehr als das 1,75-Fache überschritten und ihre Studienkonten aufgebraucht hatten, pro Semester 650 Euro zahlen. Die CDU-Landtagsfraktion würde lieber heute als morgen entsprechende Gebühren wieder einführen. "Der Fleißige wird bestraft", begründet CDU-Bildungsreferent Gereon Geissler die Position seiner Partei. Unter dem Gerechtigkeitsaspekt sei es nicht nachvollziehbar, dass ein Langzeitstudium kostenfrei sei, aber angehende Meister etwa ihre Bildungsgänge aus eigener Tasche zahlen müssten. Auch finanzielle Gründe sprächen für eine Gebühr für Langzeitstudierende. "Den Hochschulen fallen Mittel von rund drei bis vier Millionen Euro pro Jahr weg", sagt Geissler. Zudem sei die Regelstudienzeit angemessen berechnet. katExtra

Die Umstellung auf das Bachelor-Master-System in Deutschland begann 1999 mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung. Darin verpflichteten sich zunächst 29 europäische Staaten, das Bachelor-Master-System einzuführen. Mit dem Bologna-Prozess sollte ein einheitlicher europäischer Bildungsraum entstehen. Seither hat sich das Hochschulsystem grundlegend verändert. Die Hochschulen selbst bestimmen die Zeitpunkte der Einführung ebenso wie den Zeitpunkt, wann die Umstellung abgeschlossen sein soll. katExtra

Der Begriff Langzeitstudent bezeichnet Studierende, die außergewöhnlich lange an Hochschulen eingeschrieben sind. Es handelt sich um einen umgangssprachlichen Begriff ohne eindeutige Festlegung, ab welcher Studiendauer man Langzeitstudent ist. In einigen deutschen Bundesländern ist er ein juristischer Fachbegriff, mit dem diejenigen Studenten bezeichnet werden, die die Regelstudienzeit um eine bestimmte Anzahl an Semestern überschreiten. (Quelle: Wikipedia) kat

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