Balsam für kleine Seelen

TRIER. Seit fast 15 Jahren gibt es beim Kinderschutzbund (KSB) eine Malgruppe. In ihr finden Kinder – meist aus problembehafteten Familien – Raum und Gelegenheit, soziale Kompetenzen zu erlernen und ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

"Jetzt mach' ich aber wirklich 'nen Flieger!" Temperamentvoll stürmen der kleine Jan und seine Schwester Marie (Namen geändert) in den so genannten Multifunktionsraum des Kinderschutzbunds (KSB). Ein Raum im Hinterhof, der alles andere als einladend wirkt, etwas müffelt und nicht nur wegen der Hinweiszettel "Heizung nicht runterdrehen, Raum kühlt sonst zu stark aus!" einen kalten Eindruck macht. Dort wartet an diesem Nachmittag schon die freie Malerin und ehemalige Kinderkrankenschwester Lilo Schaab auf die Kinder. Staffeleien stehen bereits im Raum verteilt, mehrere Tische sind mit Plastikfolien überzogen. Ein Regal ist gefüllt mit Paletten, großen Farbtuben und Mal-Utensilien aller Art - für die Kinder ganz selbstverständliches Zubehör.Jan faltet tatsächlich ruck-zuck einen "Düsenjet", dann fackeln die beiden nicht lange. Kittel über, großzügig Farbe auf die Palette verteilt - und los geht es mit dem Malen. "Es handelt sich um freies Malen, Gefühle erfahren lassen", sagt Schaab und deutet auf die Wand. Dort hängen ein paar Bilder: kräftige Farben, abstrakte Formen, kindliche Körper.

Allerdings reicht der Platz nur für wenige der Werke. Auch zum Trocknen der Bilder ist kein Raum - fertige Werke werden auf den Boden gelegt. Es bedarf keines großen Vorstellungsvermögens, dass es dann für zehn Kinder und ihre Betreuer ein Hindernislauf in dem kleinen Raum wird.

Mit Noppenfolie, Spachtel und bunten Farben hat Jan mittlerweile ein kleines Kunstwerk gezaubert, erfährt, welche Farben beim Mischen entstehen. Seine Schwester hat versunken an der Staffelei, die fast doppelt so groß wie sie selbst ist, ein rotes Herz gemalt. "Das ist für Heinz." "Wer ist Heinz?", will Lilo Schaab wissen. "Der Freund meiner Mama", klärt die Kleine lächelnd auf.

Viele Kinder in der Malgruppe stammen aus "Problemfamilien", viele haben im Alltag nur einen Elternteil. Eltern geschieden oder einer im Gefängnis - die emotionalen Probleme sieht man den Kindern nicht an. Oftmals werden sie und ihre Eltern in anderen Beratungsgruppen des KSB betreut und finden in der Malgruppe sozialen Halt. 120 Kinder im Alter von vier bis sieben Jahren hat Schaab zusammen mit studentischen Helferinnen in fast 15 Jahren schon begleitet. Sie ist von der therapeutischen Bedeutung des Malens für das Selbstwertgefühl und die Entwicklung überzeugt. Von einem sehr scheuen Jungen, der anfangs kaum seine Angst überwinden konnte und nicht sprach, erzählt sie. Und dass er heute ein selbstbewußter Jugendlicher geworden sei - noch immer hat Schaab Kontakt zu ihm.

Wie schön es wäre, mit einer "Burg" den Kindern bessere Möglichkeiten zu geben, schwärmt Schaab. Ein richtiges Atelier, in dem die Kinder kreativ arbeiten können und das nicht mit anderen Utensilien vollgestellt sei, ein Raum, in dem man nach der Malgruppe nicht alles für andere Benutzer wegräumen müsse, Trockenschränke für die Bilder und Platz zum Aufhängen habe. "Malerei ist was Gutes für die Seele", sagt sie, und wie zur Bestätigung lässt Jan mitten beim Malen einen Begeisterungsschrei los.

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