Barack Obama in der Vertrauenskrise

Amerikaner verlieren Vertrauen in ihren Präsidenten: Mehr als die Hälfte der US-Bürger zweifelt laut einer Umfrage inzwischen an Barack Obama. Besonders die Wirtschaftskrise und seine Umweltpolitik werden für Obama zum Problem.

Washington. Es ist ein Tiefschlag für einen Präsidenten, der mit der Devise "Hope and Change" ("Hoffnung und Wandel") die US-Bürger begeisterte und das Weiße Haus eroberte. Doch 18 Monate nach Amtsantritt und nur vier Monate vor den wichtigen Kongress-Zwischenwahlen ist aller Zauber verflogen: 58 Prozent der Amerikaner haben mittlerweile kein oder kaum noch Vertrauen, dass Barack Obama die richtigen Entscheidungen für das Land fällt. Damit übersteigt die Zahl der Zweifler erstmals die Zahl jener, die weiter an Obama glauben. Das ist das wichtigste Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage der "Washington Post" und des Fernsehsenders ABC. Ein rapider Sympathie-Absturz, den Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam hat - und der seine Partei nun den Verlust der Mehrheiten im Kongress fürchten lässt. Einziger Trost: Auch den Volksvertretern beider großer Parteien trauen die Befragten mit 68 Prozent (Demokraten) und 72 Prozent Mehrheit (Republikaner) nicht zu, die Probleme des Landes lösen zu können.

Doch die Kernfrage bleibt: Wie hat es der Hoffnungsträger geschafft, so schnell das in ihn gesetzte Vertrauen auch in Teilen der eigenen Partei zu verspielen? Nachfolgend ein Blick auf die dominierenden und für die Akzeptanz des Präsidenten wichtigsten Problembereiche.

Wirtschaft und Arbeitsplätze: Eine klare Mehrheit der Befragten wirft Obama vor, dieses für die Bürger wichtigste Thema vernachlässigt und stattdessen auf Projekte wie die Gesundheitsreform gesetzt zu haben, die Zeit gehabt hätten. Die sich trotz milliardenschwerer Ankurbelungspakete nur minimal verbessernde Beschäftigungslage, die weiter schwelende Immobilienmarkt-Krise, das Rekord-Haushaltsdefizit und unruhige Zeiten an den Finanzmärkten liegen deshalb wie ein dunkler Schatten über dem Präsidenten. Nur ein Viertel der Befragten glaubt: Die Situation bessert sich.

Umweltpolitik: Die Ölpest im Golf von Mexiko und die wochenlange Lethargie des Präsidenten bei dieser Herausforderung haben den Ansehensverlust Obamas beschleunigt - zumal dieser noch im April erklärt hatte: Küstennahe Tiefseebohrungen sind grundsätzlich sicher. Gleichzeitig zeigen sich Umweltaktivisten von den mangelnden Fortschritten bei Obamas Klimaschutzversprechen enttäuscht. Der wenig ergiebige Gipfel von Kopenhagen trug maßgeblich zum Negativimage Obamas bei einstigen Unterstützern bei.

Außenpolitik: Die "Versöhnungsrede" des Friedensnobelpreis-Trägers vor einem Jahr in Kairo an die islamische Welt und freundliche Botschaften in Richtung Teheran brachten bisher so gut wie keine Dividenden. Der Iran verfolgt weiter seine nuklearen Ambitionen, im Nahen Osten scheint ein Friedensschluss immer noch weit entfernt. Im Verhältnis zu Israel gibt es zudem - was die jüdischen Wähler in den USA Obama übelnehmen - massive Irritationen. Zwar gelang Obama ein vielbeschworener "Neustart" mit Moskau. Doch mit Blick auf internationale "Sorgenkinder" wie Iran, dem gerade wegen der Torpedierung eines südkoreanischen Zerstörers nur milde gerügten Nordkorea und Syrien fehlt dem Präsidenten bisher eine erfolgversprechende Strategie.

Sicherheit und Antiterror-Politik: Den Militäreinsatz in Afghanistan sieht Obama - anders als das Irak-Engagement - als "richtigen Krieg" im Kampf gegen den Terror. Doch die Bürger in den USA sind kriegsmüde und hegen angesichts der hohen Verluste der Nato Zweifel an der militärischen Strategie ihrer Führung - Zweifel, die durch die Affäre um die provozierenden Aussagen des Generals Stanley McChrystal noch gewachsen sind. Als Beginn des Rückzugs gilt weiter der Sommer 2011 - doch im Weißen Haus häufen sich bereits die "Wenn" und "Aber". Zudem scheinen auch unter Obama die Geheimdienste des Landes weiter gegenüber radikalen Islamisten versagensanfällig und reformbedürftig zu sein.

Meinung

In der Krise

Was ist los mit den führenden Politikern des Westens? Nicolas Sarkozy im Sympathie-Sinkflug, Angela Merkel im Umfragen-Tief. Und nun haben die Bürger in den USA mehrheitlich kein Vertrauen mehr in die Fähigkeiten eines Barack Obama. Vom Hoffnungsträger zum Buhmann - so schnell kann es gehen. Die Ursachen für den schnellen Abstieg des redegewandten Strahlemanns lassen sich dabei vor allem an einem Punkt festmachen: Es hat - als politischer Newcomer mit so gut wie keiner administrativen Erfahrung - immer noch Schwierigkeiten mit dem Übergang vom Wahlkampf zum effektiven Regieren. Das zeigen insbesondere seine Versuche, bei Krisen aller Art die Schuld zunächst bei seinem Vorgänger zu suchen - sei es bei der Ölkatastrophe oder dem sich auftürmenden Haushaltsdefizit. Doch eineinhalb Jahre nach der Wahl zeigen sich die Bürger für solche natürlichen Politiker-Reflexe kaum noch empfänglich. Sie wollen, dass Obama nicht nur wohlklingende Reden hält, sondern kraftvoll Initiative zeigt und dabei die richtigen Prioritäten setzt. Weicht er weiter dieser Herausforderung aus, dürften ihm gerade die enttäuschten Wechselwähler des Landes keine zweite Amtszeit geben wollen. nachrichten.red@volksfreund.de

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