Basteltanten und blöde Hausfrauen

TRIER. Frühkindliche Erziehung stellt entscheidende Weichen für die Zukunft. Das ist spätestens seit der Pisa-Diskussion bekannt. Dennoch wird die Leistung derer, die kleine Kinder erziehen, häufig nicht angemessen bewertet.

Professionelle Erzieher, aber auch Mütter, fühlen sich in ihrer Arbeit unterbewertet. Einmal im Hinblick auf das Image von Müttern, Tagesmüttern und Erzieherinnen und zum anderen auf der ökonomischen Ebene. Monika Meiers, Erzieherin in einem Kindergarten, sagt: "Wir Kindergärtnerinnen werden oft als Basteltanten gesehen." Esther Harig, Leiterin eines Kindergartens, bestätigt das: "Das Ansehen eines Lehrers ist höher als das einer Erzieherin, da viele Leute glauben, der Ernst des Lebens fange in der Schule an. Aber die Schlüsselkompetenzen werden vorher gebildet. Das, was wir an psychologischer und pädagogischer Arbeit leisten müssen, wird unterschätzt." Auch das Ansehen der Mütter leide oft unter der Annahme, sie seien "blöde" Hausfrauen, wenn sie sich nur der Erziehung widmeten oder gar Rabenmütter, wenn sie gleichzeitig berufstätig seien, meint Erni Schaaf-Peitz, Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Aus soziologischer Sicht sei auch schlechte Bezahlung ein Indikator für mangelnde Anerkennung, sagt Randolf Körzel vom Fachbereich allgemeine Pädagogik an der Uni Trier. Laut Bundesverband der Diakonie stehen einer qualifizierten Tagesmutter, die pädagogische Angebote macht, für eine Ganztags-Betreuung mit 40 Stunden pro Woche monatlich 410 Euro zu. Genauso wenig üppig ist das Gehalt von Erzieherinnen, vor allem im Verhältnis dazu, was von ihnen erwartet und gefordert wird: "Wir sollen die Kinder individuell fördern, erste Bildungsangebote machen, ihnen Werte und soziale Kompetenzen vermitteln", sagt Monika Meiers. "Die Erwartungen sind sehr sehr gewachsen," bestätigt Michael Honig von der Universität Trier. "Die Eltern neigen dazu, Erziehung zu delegieren und Verantwortung abzugeben. Kindergarten und Schule jedoch basieren auf der Annahme, dass Eltern die Kinder erziehen", erklärt der Professor das Dilemma. "Viele Eltern können heute jedoch gar nicht mehr alleine die Erziehung bewältigen." Die verschiedenen Bedürfnisse und individuellen Sichtweisen sollten, laut Honig, vor Ort in den Einrichtungen besprochen werden. Genau da sieht auch Erni Schaaf-Peitz Gestaltungsspielraum: "In meiner Arbeit versuche ich den Eltern das Bewusstsein zu vermitteln, dass sie wichtig sind. Ohne ständige Gespräche mit den Eltern geht nichts. Gleichzeitig mache ich mich stark für eine inhaltliche Entwicklung unserer Aus-, Fort- und Weiterbildung, damit wir durch Professionalität überzeugen können", sagt Schaaf-Peitz, die die Kindertagesstätte Wittlich-Neuerburg leitet. "Wir selbst haben es in der Hand, unser Bild nach außen zu verändern und Sensibilität zu wecken. Ich stelle eine Entwicklung der Wertschätzung bei Experten und Eltern fest." Was Bezahlung und Ansehen in der Gesellschaft angeht, bleibt jedoch eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Bewertung. Michael Honig kennt die gesellschaftlichen und politischen Gründe für diesen Missstand: "Es ist moralisches Wunschdenken, Erziehungsleistung genauso zu honorieren, wie Tätigkeiten, die einem monetären Zweck dienen. Als Humaninvestition ist sie für die Wirtschaft nicht interessant. Wenn wir gut ausgebildete leistungsfähige Menschen brauchen, steht uns ein weltweiter Markt an Spezialisten zur Verfügung. Der Prozess der Entwicklung und Förderung eigener Ressourcen ist viel zu aufwändig und zu teuer."

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