Jahresbericht 2020 Wo der Rechnungshof den Rotstift zückt

Mainz/Trier · Bau von Sozialwohnungen, aufgeblähte Behörden, Flüchtlinge: Was Finanzprüfer beim Land anmarkern.

 Wo bei Schülern in Tests der Rotstift angesetzt wird, macht der Rechnungshof das bei Landesausgaben. In diesem Jahr kamen einige Einträge im Bericht der Speyerer Finanzbehörde zusammen.

Wo bei Schülern in Tests der Rotstift angesetzt wird, macht der Rechnungshof das bei Landesausgaben. In diesem Jahr kamen einige Einträge im Bericht der Speyerer Finanzbehörde zusammen.

Foto: dpa/Marijan Murat

Der Rechnungshof und die Landesregierung verhalten sich zueinander wie ein strenger Vater, der seinem Kind genau auf die Finger schaut, wofür es das Taschengeld ausgibt. In diesem Jahr hat die Speyerer Finanzbehörde auf 122 Seiten wieder den Rotstift gezückt und geschaut, wo die rot-gelb-grüne Ampelkoalition sparen kann und wo sie Geld vergeudet. Was sind die größten Aufreger?

Wenig Sozialwohnungen: Bezahlbares Wohnen gehört zu den Schwerpunkten der Landesregierung, die in dieser Legislaturperiode 20 000 Wohnungen schaffen will. Doch das Land hinkt hinterher – und erntet nun noch einen Tadel von Rechnungshofpräsident Berres. „Der Wohnungsbestand ist rückläufig und die Förderung teilweise nicht bedarfsgerecht.“ Nur ein gutes Drittel der bereitgestellten Fördermittel wurde in Anspruch genommen. Was übrig bleibt, ging in die Förderung von Wohneigentum. Weil immer mehr Sozialwohnungen nach vollständiger Rückzahlung der Darlehen aus der Mietpreisbindung herausfallen, erwartet der Rechnungshof, dass sich die Zahl der Sozialwohnungen bis 2032 auf etwa 28 000 verringern wird. 2006 waren es noch 77 200. „Sie gehen schneller aus der sozialen Mietbindung heraus, als dass neue Wohnungen hinzukomme“, sagt Berres. Vor allem preiswerte Ein- und Zweizimmerwohnungen gebe es zu wenig. Neu hinzu kamen nach Angaben des Finanzministeriums 3008 Wohnungen im Jahr 2018 und 2560 im vergangenen Jahr. Inzwischen gebe es auch gegenläufige Tendenzen zum Rückgang des Bestands an Sozialwohnungen, sagt die Sprecherin des Ministeriums. Städte wie  Mainz hätten festgelegt, dass mindestens ein Viertel der Wohnungen in neuen Baugebieten sozial gefördert sein müssten. Dietmar Muscheid, Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, nennt die wegbrechenden Wohnungen dagegen eine „katastrophale Entwicklung“. Er fordert Kommunen auf, mehr zu bauen und eigene Gesellschaften zu gründen. Dies müsse auch für Landkreise gelten, sagt er. Muscheids Kritik: Bislang dürften diese bloß mit bestehenden städtischen Wohnungsbaugesellschaften kooperieren. Die oppositionelle CDU-Fraktion fordert, sozialen Wohnraum wirksamer zu fördern. Der finanzpolitische Sprecher Christof Reichert moniert: „Die SPD in Rheinland-Pfalz will den Menschen den Eindruck vermitteln, sie wäre die soziale Kraft in unserem Land. Ihre Lustlosigkeit beim sozialen Wohnungsbau spricht eine andere Sprache. Engagement für sozial Schwächere, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind? Fehlanzeige.“

Aufgeblähte Behörde: Fünf Standorte, 16 Gebäude: Das Landesuntersuchungsamt (LUA), das Lebensmittel überwacht und Verbraucher schützen soll, ist dem Rechnungshof zu aufgebläht. Rheinland-Pfalz könne Millionen Euro sparen, wenn es auf weniger Labore setze, von denen es auch eins in Trier gibt. Die Speyerer Finanzbehörde rechnet vor, dass das Amt rund 140 Stellen und damit bis zu 12,1 Millionen Euro an Personalkosten einsparen könne. Da bis 2030 gut 145 Vollzeitkräfte in Rente gehen, sieht Rechnungshof-Präsident Berres eine Chance, dies sozialverträglich zu schaffen und das Amt zu reformieren, für das 2025 ein Neubau in Koblenz geplant ist. Auch manchen Aufwand hinterfragt der Rechnungshof. Um Proben von Tieren zu entehmen, die in der Tierkörperbeseitigungsanstalt in Rivenich (Kreis Bernkastel-Wittlich) verendet waren, seien Bedienstete täglich eine Strecke von 220 Kilometern gefahren. „Das war nicht wirtschaftlich“, moniert der Rechnungshof.

Millionen für den Hahn: Immer wieder Hahn – so auch im Bericht des Rechnungshofs. Das Land trägt die Kosten für Brandschutz und Rettungsdienst bis 2025 mit einem Höchstbetrag von 27 Millionen Euro. So wurde es beim Verkauf des Flughafens im Jahr 2017 vereinbart. Der Rechnungshof bemängelt, dass Verwendungsnachweise nicht gründlich geprüft werden und regt einen flexibleren Einsatz der Feuerwehrkräfte an: Obwohl der Flughafen meist von kleineren Flugzeugen genutzt werde, werde das Personal nach der höchsten Brandschutzkategorie bemessen, die für die größten Passagier- und Transportmaschinen gelte.

Ausgaben für minderjährige Flüchtlinge: Zu viel Geld geflossen sei für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, krittelt der Rechnungshof. Rund sechs Millionen Euro seien erstattet worden, obwohl nicht richtig festgestellt worden sei, ob die Jugendlichen wirklich unter 18 waren, es an Unterlagen fehlte oder der ausländerrechtliche Status nicht geklärt war, behauptet die Speyerer Behörde. Die Zahl der Kostenfälle habe sich zwischen 2012 und 2017 auf mehr als 5700 verzehnfacht. Dabei seien an örtliche Jugendhilfeträger Kosten von fast 280 Millionen Euro erstattet worden.

Klamme Unimedizin: Der Rechnungshof bemängelt, dass die Universitätsmedizin Mainz mehrere Möglichkeiten nicht genutzt habe, um die hohen Defizite zu verringern. 2018 sei der Fehlbetrag um mehr als 38,5 Millionen Euro zu gering veranschlagt worden. Kritisiert werden unter anderem auch der Zentraleinkauf, der hohe Aufwand der eigenen Großküche und die Übernahme des Krankenhauses Ingelheim mit einem Verlust von 4,5 Millionen Euro. „Das ist vergossene Milch“, sagt Berres.

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