Beck und die SPD schmieden ein strategisches Konzept

Die rheinland-pfälzische SPD richtet sich nach der Landtagswahl strategisch neu aus. Diskussionen und Personalgerangel kennzeichnen die Rollensuche in der angestrebten sozial-ökologischen Koalition mit den Grünen.

Mainz. Bei den Sozialdemokraten, unter der straffen Führung des seit 1994 amtierenden Ministerpräsidenten Kurt Beck stets ein Hort der Ruhe, fallen dieser Tage ungewohnte öffentliche Spekulationen auf. Mal wird kolportiert, Innenstaatssekretär Roger Lewentz solle die Landtagsfraktion führen, mal heißt es, Wirtschaftsminister Hendrik Hering strebe nach diesem Posten. Der bisherige Fraktionschef Jochen Hartloff schweigt, obwohl er als neuer Justizminister genannt wird, was einen Machtverlust bedeuten würde.

Eine Wahlanalyse zeigt auf, dass die SPD anders als vor fünf Jahren nicht vorwiegend wegen ihres Spitzenkandidaten Beck gewählt wurde. Für 47 Prozent der SPD-Wähler stand das inhaltliche Angebot im Vordergrund. Wer allerdings meint, Becks uneingeschränkte Herrschaft sei auch angesichts des von ihm angekündigten Rückzugs zum Ende der Wahlperiode bedroht, der irrt. "König Kurt" führt bei allen Planspielen wie gewohnt Regie.

Ähnlich wie 1991, als die lang anhaltende sozial-liberale Ära begann, wird an zukunftsgerichteten Strukturen gebastelt. Die Koalition der SPD mit der FDP hielt auch deshalb 15 Jahre, weil sich beide Partner genügend Spielraum für gegenseitige Erfolge ließen. In den beginnenden Verhandlungen mit den Grünen geht es darum, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Dann sollen die Terrains abgesteckt werden.

Wofür die Grünen vorwiegend stehen, ist klar: Umwelt und Energie. Doch in welchen Kernbereichen will die SPD punkten, die zwar stärkste Fraktion geblieben ist, aber erdrutschartig zehn Prozentpunkte verloren hat? Sehr genau betrachten die Parteistrategen die Wahlanalyse. Sie besagt, dass der SPD von ihren Wählern in den Bereichen Umwelt/Energie (37 Prozent), soziale Gerechtigkeit (32 Prozent), Wirtschaft (29 Prozent) und Bildung/Schule (28 Prozent) die größten Kompetenzen beigemessen werden. Hier besteht ein Problem für die Sozialdemokraten, denn das Feld Umwelt/Energie besetzen die Grünen besser.

Beitragsfreie Kindergärten, Ganztagsschulen, gebührenfreie Hochschulen - den sorgsam aufgebauten Kernbereich Bildung kann die SPD nicht aufgeben. Damit ist Ministerin Doris Ahnen für die neue Regierung gesetzt, wenngleich ihr der Verlust des Direktmandates in Mainz bei höheren Ambitionen in Bezug auf die Beck-Nachfolge schadet.

Als strahlende Sieger in ihren Wahlkreisen mit den landesweit besten Ergebnissen nach Kurt Beck stehen Malu Dreyer und Hendrik Hering da. Die Sozialministerin aus Trier repräsentiert die SPD-Kernkompetenz soziale Gerechtigkeit, sie wird ebenso eine führende Rolle spielen wie der in der Wirtschaft stark respektierte Hering. Auch Roger Lewentz hat seinen Wahlkreis klar gewonnen und darf Ansprüche auf das Innenressort anmelden.

Wenn aus SPD-Kreisen das Gerücht gestreut wird, Hering sei Favorit für das wichtige Amt des Fraktionschefs, kann dies nur mit Billigung von Kurt Beck geschehen sein. Anscheinend hält er Jochen Hartloff nicht für geeignet, um später am Rednerpult im Landtag Oppositionsführerin Julia Klöckner Paroli zu bieten.

Man darf davon ausgegehen, dass das Personaltableau und das inhaltliche Gerüst der SPD für die Verhandlungen mit den Grünen bereits weitgehend stehen. Nicht umsonst hat Beck schon vor der Wahl mehrfach mit Eveline Lemke gesprochen. Beides wird am Wochenende bei einer internen SPD-Klausur festgezurrt, um am Dienstag in der Fraktion vorgestellt zu werden. Nach den exakten Absprachen mit den Grünen wird die Feinjustierung erfolgen.

WAHLANALYSE IN DER REGION TRIER



Laut einer Analyse von Infratest-dimap hat die SPD im Hunsrück mit 38 Prozent der Stimmen sehr gut abgeschnitten. Ihr schwächstes Ergebnis bekam sie in der Eifel (28 Prozent, minus 12,2), nur wenig besser war sie im Bereich Trier-Mosel (33 Prozent, minus 11,6). Die CDU erzielte in der Eifel mit 42,1 Prozent (plus 1,1) ihr bestes Ergebnis landesweit und war auch im Raum Trier-Mosel (37,5 Prozent, plus 1,6) sowie im Hunsrück (37,3 Prozent, plus 6,3) gut. Die Grünen fuhren ihr stärkstes Ergebnis in der Stadt Mainz (26,1 Prozent, plus 17) ein und lagen auch im Bereich Trier-Mosel mit 16,5 Prozent (plus 11,5) über dem Landesdurchschnitt. In Eifel (13,6 Prozent, plus 10,1) und Hunsrück (13 Prozent, plus 8,9) schnitten sie schlechter ab. fcg

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