Beschwörende Botschaft

MAINZ. Den Angriff als beste Verteidigung wählte SPD-Landes-Chef und Bundes-Vize Kurt Beck, um seine Partei auf den auch unter Genossen umstrittenen Reformkurs einzuschwören. Die Parteitagsdelegierten dankten es ihm mit minutenlangem Applaus und 98 Prozent Ja-Stimmen bei der Wahl.

"Jede Zeit braucht ihre Antworten" - ein kämpferischer Kurt Beck bemühte Willy Brandt, um die mehr als 360 Delegierten in der schmucklosen Mainzer Phönixhalle auf seine entscheidende Botschaft vorzubereiten und den SPD-lern Mut im heraufziehenden Kommunal- und Europawahlkampf einzuimpfen. "Wir müssen es machen. Wenn es die anderen machen, werden die Menschen, um die es uns geht, noch mehr leiden." Der emotionale Aufruf zur Unterstützung des umstrittenen rot-grünen Reformkurses wurde dankbar angenommen, stehen die Parteivertreter doch beim Bürger unter heftigstem Beschuss. Weil die Vorgänger-Regierung dem Volk nicht die Wahrheit gesagt hat, wird laut Beck nun die SPD für die unvermeidliche Neuverteilung der Lasten abgestraft. Aber man sei nicht gewählt, um in Schön-Wetter-Zeiten Politik zu machen. Die Delegierten hörten es wohl, doch so mancher Ortsvereinsvorsitzender weiß von den ungebundenen Kandidaten, die mit viel Mühe zur Kandidatur auf der kommunalen SPD-Liste bewegt wurden, und jetzt wegen der rot-grünen Reformen angegangen werden. Die Denkzettel für Schröders Politik hängen drohend wie ein Damoklesschwert über der Wahl. Mehr an die Parteispitze als an die Basis richtete sich denn auch Becks Appell, den "zähen Weg der Reformen" zu gehen, ohne die soziale Substanz anzugreifen. Einen Schwund von mehr als 2000 Mitgliedern hat der weit verbreitete Ärger mit der Berliner Politik der Landes-SPD 2003 eingebrockt, dazu noch einen Absturz in der Wählergunst. Doch die Trendwende sieht der Parteichef angesichts zunehmender Eintrittszahlen und steigender Umfragewerte zumindest im Land erreicht. "Mag sein, dass wir vor der großen Aufgabe in die Knie gegangen waren, aber wir sind wieder auf den Füßen", so seine Botschaft an die eigenen Reihen. Trotz massiver Rückschläge gibt es für Beck keinen Grund, geknickt in die Wahl zu gehen.Kritik an Merz: Bierdeckel-Philosoph

Er wetterte gegen "politische Geisterfahrer" in der Union, deren Bierdeckel-Philosophen Friedrich Merz, der in seinen Steuerplänen die Milliarden gleich im Dutzend verteilt, und eine CDU-Chefin Angela Merkel, die der Türkei in der EU allenfalls das "Katzenbänkchen" zuweisen will und die wichtige Brückenfunktion zu den muslimischen Staaten verkennt. Stammtisch-Gerede verdränge die politische Diskussion, wetterte Beck. Er verteidigte die Belastung der Rentner mit höheren Beiträgen, "weil alle Lasten tragen müssen". Die Armut sei gottlob nicht mehr alt, doch man müsse auch aufpassen, dass sie nicht Junge und Kinder treffe. Kritische Töne kamen von DGB-Chef Dietmar Muscheid. Der Gewerkschafter forderte, die Menschen mitzunehmen auf dem Weg zu Reformen. Der verbreitete Ärger sei keineswegs nur ein Vermittlungsproblem. Ebenso wie Beck warnte er allerdings vor einem Auseinanderdividieren der Abeitnehmer-Interessenvertreter. Eine linkspopulistische Partei wird laut Beck keinen Erfolg haben. "Trennen heißt verlieren", lautete seine Warnung.

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