Betrogene Betrüger

Viereinhalb Jahre für den 48-jährigen Hauptangeklagten, je dreieinhalb für seine 46 und 50 Jahre alten Kollegen: Mit diesem Strafmaß blieb die 3. Große Strafkammer am Trierer Landgericht sogar teilweise unter der Maximal-Strafe, die sie den Angeklagten im Wittlicher Anlagebetrugs-Prozess im Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellt hatte.

Trier. Das Gemälde eines malerischen Urlaubsorts samt Hafen ziert neuerdings die Wand über der Anklagebank im Saal 66 des Trierer Landgerichts. Ironie des Schickals: Für die drei dort platzierten Männer aus Wittlich und ihre umfangreich im Gerichtssaal vertretenen Familien dürfte es so schnell keine gemeinsame Reise geben.

Fast 100 Menschen aus ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld haben sie Geld für windige Anlage-Geschäfte aus der Tasche gezogen. Rund die Hälfte der Fälle ist in diesem Verfahren angeklagt, aber ganze 22 davon werden schließlich als Grundlage der Verurteilung herangezogen. Das hat weniger mit einem "Deal" zur Vermeidung eines endlosen Mammut-Prozesses zu tun als damit, dass das Gericht den Angeklagten offensichtlich in einem entscheidenden Punkt Glauben schenkt: dass sie nicht von Anfang an betrügen wollten, sondern zunächst selbst auf dubiose "Geschäftspartner" hereinfielen.

Im Sommer 2007 hatten die bis dato unbescholtenen Männer aus der Versicherungs- und Finanzbranche damit begonnen, gegen phänomenale Gewinnzusagen Anleger-Gelder für Spekulationsgeschäfte einzusammeln. Aber 600 000 Euro verschwanden auf den Konten eines windigen Geschäftspartners. Um die Löcher zu stopfen, warben sie ab Januar 2008 weitere Kundschaft an, um mit den eingenommenen Geldern die Ansprüche der ursprünglichen Anleger zu befriedigen - ein klassisches "Schneeball-System". "Spätestens ab diesem Zeitpunkt gibt es keinen Zweifel an einem gewerbsmäßigen Betrug", hält Richter Hardt in seiner Begründung fest. Nachzuweisen, dass das Trio von Anfang an auf Betrug aus gewesen sei, sei dagegen "nach der Aktenlage unrealistisch".

Seine Kammer hatte schon zu Prozessbeginn nach Absprache aller Beteiligten einen "Deal" angeboten: maximal fünf, vier und dreieinhalb Jahre bei einem klaren Geständnis. Nach "Seelenmassage" durch die Verteidigung akzeptierten alle drei. Weil am Ende dann nur ein Teil der ursprünglich angeklagten Taten bestraft wird, fällt das Strafmaß bei zweien der Angeklagten sogar noch um ein halbes Jahr "milder" aus.

Armin Hardt führt in seiner Urteilsbegründung einige bemerkenswerte Milderungsgründe an: das Geständnis der Angeklagten, den Umstand, dass ein beachtlicher Teil des Geldes beschlagnahmt und zurückerstattet werden konnte, die "Naivität und Unprofessionalität" des Trios, die "ruinierte Existenz", die sie nach absolvierter Strafe erwartet. Aber er nennt auch im Klartext die "Leichtgläubigkeit und Profitgier mancher Anleger", denen die Aussicht auf hohe Renditen den Blick auf jegliche Bedenken verstellte. Dazu kommt sicher auch, dass unterm Strich nur jeweils rund 60 000 Euro bei den Angeklagten selbst landeten.

Aber im Strafmaß weiter entgegenkommen will das Gericht den Angeklagten auch nicht. "Sie haben das Vertrauen von Bekannten und langjährigen Kunden missbraucht", hält Hardt den drei Männern vor, sogar vor Verwandten habe man nicht haltgemacht. In drei Fällen seien es über 50 000 Euro Anlagekapital gewesen, in einem anderen Fall die gesamten Ersparnisse, mit denen eine Mutter die Delfin-Therapie für ihre behinderte Tochter habe finanzieren wollen. Der "Ideengeber und führende Kopf" soll nun für viereinhalb Jahre hinter Gitter, seine Komplizen für je dreieinhalb. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Angeklagten wollen mit ihren Verteidigern noch beraten. Allerdings hat ihnen der Staatsanwalt zugesichert, die bislang noch gar nicht angeklagten 45 Fälle strafrechtlich nicht weiter zu verfolgen, wenn sie den Spruch akzeptieren. Das könnte sich als gewichtiges Argument erweisen. Mehrwert Seite 8

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