Bildungsministerin Stephanie Hubig im TV-Interview zur Zukunft der Dorfschulen
Trier/Mainz · Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin sieht viele Zwergschulen an der Belastungsgrenze. Ein Ausbluten der Dörfer drohe nicht.
14 Dorfschulen droht zum Schuljahr 2018/19 in der Region Trier das Aus, 41 im gesamten Land. Bis zum 30. September haben die Träger Zeit, Konzepte einzureichen. Im TV-Interview äußert sich die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) zu Widerstand, Kritik und der Zukunft der kleinen Schulen.
Der TV schrieb in der Bewertung nach einem Jahr Ampelregierung: "Stefanie Hubig muss noch mehr zeigen, dass Sie die Chefin des Bildungsministeriums ist." Stimmen Sie der Kritik zu?
Stefanie Hubig: Mein Vorbild sind nicht die Menschen, die nach einer Woche sagen, dass sie alles wissen und können. Ich höre zu, bilde mir eine Meinung und lasse mich gerne von Kräften beraten, die sich von A bis Z in der Bildungslandschaft von Rheinland-Pfalz auskennen. Seien Sie versichert: Im Bildungsministerium ist klar, wer die Chefin ist. Aber ich bin mir auch nicht zu schade, abends noch selber Unterlagen zu kopieren.
In die Hand genommen haben Sie die Zukunft der kleinen Grundschulen. 41 Dorfschulen bangen nun, es gab Unterschriftenlisten und eine Demo. Haben Sie die Wirkung unterschätzt?
Hubig: Uns war bewusst, dass es sich um ein emotionales Thema handelt. Es geht um unsere Jüngsten und Kleinsten. Es ist aber Teil unserer politischen Verantwortung, auch Themen anzugehen, die auf Widerstand stoßen.
Warum stehen kleine Grundschulen überhaupt zur Prüfung?
Hubig: Wir haben alle das gleiche Ziel: ein stabiles Angebot an Grundschulen im Land sicherzustellen, bei dem das Prinzip "Kurze Beine - kurze Wege" bestehen bleibt. Wir sehen, dass kleine Grundschulen an organisatorische Grenzen stoßen. Sie können beispielsweise nicht das Angebot an Arbeitsgemeinschaften, Differenzierungsstunden oder auch Schulfesten bieten, wie es bei größeren Grundschulen mit mehr Lehrkräften der Fall ist.
Und jetzt ein Kahlschlag im Land?
Hubig: Überhaupt nicht. Erst einmal haben wir uns gegen eine radikale Reform wie im Saarland entschieden, das vor mehr als zehn Jahren von oben einfach eine Vielzahl an Schulen dicht gemacht hat. Geht es nach unserem Schulgesetz, hätten streng genommen sogar alle Schulen zur Prüfung angestanden, die nicht mindestens eine Klasse pro Stufe haben. Anhand der Leitlinien prüfen wir nun ausschließlich Grundschulen, die höchstens zwei Klassen haben. Und von denen haben wir wieder acht Schulen ausgenommen, deren Schülerzahlen schon jetzt absehbar wieder anwachsen werden.
Gemeinden argumentieren, dass mit dem Aus der Grundschulen die Dörfer ausbluten. Wie sehen Sie das?
Hubig: Als die CDU in der Regierung war, hat es durch den sogenannten Pillenknick einen starken demografischen Wandel gegeben. Daraufhin hat die CDU-Regierung von 1970 bis 1991 insgesamt 840 Grund- und Hauptschulen geschlossen. Von 2300 Gemeinden im Land haben 1500 keine Grundschule. Trotzdem bin ich sicher, dass die Dörfer ein gutes und reges Ortsleben haben. Ein Stück weit verstehen kann ich die Sorgen natürlich, wir lassen die Gemeinden aber nicht im Stich.
Inwieweit?
Hubig: Orte, in denen die Schule schließen muss, wird das Land natürlich zur Anschlussnutzung der Schulgebäude beraten. Außerdem bieten wir Förderprogramme für den ländlichen Raum.
Lehrer in den Dorfschulen halten dagegen, dass sie jedes einzelne Kind viel besser fördern können, weil die Klassen kleiner sind.
Hubig: Natürlich leisten unsere Lehrerinnen und Lehrer an den kleinen Grundschulen pädagogisch gute Arbeit. Die Probleme bleiben aber: Wir finden für die Schulen oft keine Leitung, weil diese mangels Personal auch noch Lehrer, Sekretär und oft sogar Hausmeister in einer Person ist. In einer Schule in Rheinland-Pfalz hatten wir im Winter die Situation, dass zwei Lehrer wegen Glätte nicht in den Unterricht kommen konnten. Die Kinder mussten nach Hause gehen. Das ist kein Zustand. Die CDU schlägt in einem eigenen Gesetzentwurf eine engere Verzahnung der kleinen Grundschulen mit Kitas und eine Mindestgröße von zwei Klassen vor.
Was halten Sie davon?
Hubig: Ich finde den Vorschlag der CDU grundsätzlich nicht richtig, weil er nicht nur den jetzigen Zustand beibehält, sondern sogar die Möglichkeit bietet, die Systeme noch kleiner werden zu lassen. Zwischen Kitas und Grundschulen gibt es schon heute enge Übergänge und Kooperationen, aber das bedeutet ja nicht, dass es mehr Schülerinnen und Schüler gibt. Und wenn ein Lehrer ausfällt, könnten ja nicht die Kita-Kräfte einfach den Unterricht übernehmen. Das organisatorische Problem bliebe mit dem CDU-Gesetz also bestehen.
Die Schulträger vor Ort haben bis 30. September Zeit, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier ein Konzept vorzulegen. Bei Landeselternversammlungen sagten Schulleiter schon: Wir schicken kein Konzept, sollen die in Mainz doch sehen, was sie davon haben.
Hubig: Niemand ist gezwungen, ein Konzept abzugeben. Es zu unterlassen, halte ich aber nicht für klug: Wenn ich beispielsweise die Möglichkeit hätte, über ein Neubaugebiet im Dorf nachzuweisen, dass die Schülerzahlen künftig wieder steigen werden, trage ich das doch gerne vor. Kommunen können auch Gründe für den Erhalt ihrer Schule nennen, die nicht in den Leitlinien stehen. Und die ADD wird dann mit den Trägern sprechen.
In der Region Trier sind etliche der Schulträger Verbandsgemeinden mit einem CDU-Bürgermeister. Viele schimpfen, das SPD-geführte Ministerium lasse sie nun mit der Tragweite der Entscheidung alleine.
Hubig: Ja, aber wo ist die Alternative? Wenn wir in Mainz entscheiden würden, welche Schule schließen muss, hieße es, wir hätten doch gar keine Ahnung von den Verhältnissen vor Ort. Wir wollen ergebnisoffen gucken, wo die kleine Grundschule aufgrund der örtlichen Situation notwendig ist. Das können die Akteure vor Ort besser beurteilen - sie sind die Experten.
Kritiker warnen, die laufende Prüfung öffne die Tür für weitere Prüfungen in den Jahren danach. Müssen die ausgewählten Schulen nun jedes Jahr um ihre Zukunft bangen?
Hubig: Nein, davor müssen die Schulen nicht zittern. Ziel ist ja gerade zu schauen, welche Schulen dauerhaft eine Perspektive haben.
Ministerin wehrt sich gegen Inklusionskritik
Die Kritik der Trierer Ausoniusschule, wonach die Förderlehrstunden gekürzt wurden und die momentanen Stunden nicht zur Inklusion beitragen (der TV berichtete), weist Bildungsministerin Stefanie Hubig zurück. Die Förderstunden seien vom Schuljahr 2012/13 bis 2015/16 deswegen von 76 auf 54 zurückgegangen, weil auch die Zahl der inklusiv betreuten Kinder von 14 auf zehn gesunken sei. Zum neuen Schuljahr steigen die Stunden wieder, da dann auch die Zahl der betreuten Schüler erneut wachse, teilt Hubig mit. Wie die Schule die Förderlehrstunden einsetze, entscheide sie selbstständig