"Bin mir keiner Schuld bewusst"

TRIER. Vor dem Amtsgericht hat am Montag der Betrugsprozess gegen einen 53 Jahre alten Trierer Geschäftsmann begonnen. Aufsehen erregend ist der Fall, weil der vorbestrafte Angeklagte und seine Ehefrau vor zweieinhalb Jahren Opfer einer spektakulären Geiselnahme waren.

In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ist es offenbar kein Problem, mit einer schön verschnörkelten Urkunde im Gepäck einen dubiosen Doktor-Titel in den Personalausweis eingetragen zu bekommen. Berthold R., gelernter Bankkaufmann, später Finanz-Vermittler und jetzt Frührentner, wurde jedenfalls dereinst auf der Mainzer Stadtverwaltung der schmucke akademische Grad in den neu beantragten Ausweis eingetragen - "bedenkenlos", wie der 53-Jährige gestern vor dem Schöffengericht äußerte. "Eigentlich", sagt Berthold R., der ansonsten nicht gerade den Eindruck eines bescheidenen Zeitgenossen macht, eigentlich lege er ja überhaupt keinen Wert auf den Titel. "Aber wenn man ihn angeboten bekommt…" Angeboten, besser gesagt verliehen bekam, der Trierer den "kirchlichen Titel" nach eigenen Angaben wegen eines Wasserwerks in Amerika. Dort hat Berthold R. irgend etwas entwickelt oder konzipiert, Luxemburg spielt noch eine Rolle und Ruanda. Im Endeffekt jedenfalls bekam er den Doktor-Titel verliehen, den er jetzt "überall führen darf - nur nicht in Deutschland und Österreich". Ob das so stimmt, sei einmal dahingestellt. Berthold R. schmückte sich mit dem Titel laut Staatsanwalt Eric Samel jedenfalls auch in Deutschland - mal, um ein Konto bei einer Bank zu eröffnen, mal bei einem windigen Kredit-Vermittlungsgeschäft mit einer dubiosen amerikanischen Gesellschaft. Dummerweise hat Berthold R. den angeblich von einer kirchlichen Organisation verliehenen Doktor-Titel schon früher benutzt, ist unter anderem deshalb vor zwei Jahren zu einer 21-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Und er ist ein Betrüger, "ein notorischer", heißt es jedenfalls bei der Trierer Staatsanwaltschaft. Wegen mehrerer dutzend Fälle steht der 53-Jährige dieses Mal vor dem Kadi.Weihnachten in Untersuchungshaft

Weil der Ex-Banker seine Wohnsitze so häufig wechselt wie andere Leute ihre Unterhose, hat ihn die jüngste Anklage in Untersuchungshaft gebracht. Dort fühlt sich Berthold R. nicht besonders wohl, auch weil er sich "keiner Schuld bewusst" ist, wie er das Schöffengericht wissen lässt. "Das war nicht rechtswidrig", kommentiert er die knapp fünf dutzend Anklagepunkte, "so hätte sich jeder hier im Raum verhalten". Er habe zwar Fehler gemacht, "ich wollte aber nie jemanden betrügen". Weil Berthold R. am ersten Prozesstag für fast alles und jedes eine Erklärung glaubt zu haben, er nach seiner Darstellung meist das eigentliche Opfer ist und nicht der Täter, muss das Gericht nun jede Menge Zeugen laden. Mit zwei Wünschen biss der Angeklagte bei Richter Helmut Reusch übrigens auf Granit. Weder darf Berthold R. Weihnachten bei seiner Familie verbringen, noch wird die Presse von der Verhandlung gegen den Betrüger ausgeschlossen. Der Prozess wird am nächsten Dienstag fortgesetzt.

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