Bis die Luft rein ist

TRIER. Eine unruhige Nacht dürfte der unbekannte Gas-Sprayer hinter sich haben, der gestern Nachmittag den größten Rettungskräfte-Einsatz seit Jahren in Trier provoziert hat. Ihm drohen Anzeigen wegen Körperverletzung; für die Einsatzkosten im fünfstelligen Euro-Bereich wird er ebenfalls geradestehen müssen.

 Dutzende Schüler mussten das Berufsschul-Gebäude in der Deutschherrenstraße verlassen. Foto: Konrad Geidies

Dutzende Schüler mussten das Berufsschul-Gebäude in der Deutschherrenstraße verlassen. Foto: Konrad Geidies

"Wenn ich den kriege, dann geht's ihm an die Gurgel." Die Berufsschülerin (die ihren Namen nicht nennen will) ist "mega-stinksauer. Wegen so einem Blödmann verpasse ich ein Date mit meinem Freund. Der Armleuchter hat mir den ganzen Tag versaut." Die 19-Jährige befindet sich in guter Gesellschaft. Statt Unterrichts-Ende ist kollektives Nachsitzen angesagt. Es ist fast 16 Uhr, und noch mehr als 200 Angehörige der Berufsschule für Ernährung, Hauswirtschaft und Sozialpflege warten draußen in der Deutschherrenstraße auf das Ende des Spuks, den vermutlich ein Schüler gegen 14.30 Uhr ausgelöst hat. Im Eingangsbereich des BBS-Neubaus unbeobachtet ein wenig auf die "Reizgas-Tube gedrückt", und schon waren sie nicht mehr aufzuhalten, die Geister, die man unabsichtlich gerufen hat. So könnte es gewesen sein, wird auf der Straße spekuliert.

Handfeste Informationen sind Mangelware. Zwar ist schnell klar, "dass hier keine schwer wiegende Gefährdung vorliegt" (Feuerwehrchef Herbert Albers-Hain). Doch da ist der Katastrophenschutz-Apparat bereits in Gang gesetzt. Gut fünf Dutzend Sanitäter und Feuerwehrleute sind angerückt, dazu Polizei und ein Großaufgebot von der Stadtverwaltung, angeführt von Bürgermeister Georg Bernarding und Schuldezernent Ulrich Holkenbrink.

Viele Schüler und Lehrer haben nur "einen üblen Geruch" beim Verlassen des Schulgebäudes wahrgenommen. Anderen wie Danah Hartge (20) setzte das Gas schon etwas mehr zu: "Ich musste husten." Vanessa Günther hingegen fühlt sich "ziemlich elend". Die 21-Jährige ist Allergikerin und klagt über "gerötete und gereizte Luftwege".

Für sie und 21 Mitschülerinnen und -schüler geht es wenig später von der in einer Lagerhalle neben der Schule eingerichteten provisorischen Verletzten-Sammelstelle aus ab ins Krankenhaus. Auch Hausmeister Reinhold Jüngling, der nicht lange gefackelt und direkt die Feuerwehr alarmiert hat, schicken die Sanitäter in die Klinik. "Sicher ist sicher", erklärt Gesundheitsamts-Chef Harald Michels. "So lange wir nicht ganz genau wissen, um welches Gas es sich handelt, lassen wir Patienten mit Beschwerden lieber über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus."

Derweil löst sich die Hoffnung auf ein Identifizieren des Gases förmlich in Luft auf. "Nichts mehr festzustellen", verkündet Feuerwehrmann Daniel Müller nach der letzten Messung um 16.10 Uhr.

 Erstversorgung von Patienten in der provisorisch eingerichteten Sammelstelle in einer Lagerhalle neben dem Schulgelände. Foto: Roland Morgen

Erstversorgung von Patienten in der provisorisch eingerichteten Sammelstelle in einer Lagerhalle neben dem Schulgelände. Foto: Roland Morgen

 Großeinsatz für die Trierer Feuerwehr. Der gefährdete Bereich war weiträumig abgesperrt. Foto: Roland Morgen

Großeinsatz für die Trierer Feuerwehr. Der gefährdete Bereich war weiträumig abgesperrt. Foto: Roland Morgen

 Die Polizei nimmt Angaben zum Geschehen an der BBS auf. Foto: Roland Morgen

Die Polizei nimmt Angaben zum Geschehen an der BBS auf. Foto: Roland Morgen

Eine Stunde später löst sich die Versammlung endgültig auf. Alle Evakuierten sind nach Symptomen befragt und registriert worden. Für die Angehörigen von Gas-Attacken-Opfern, die ins Krankenhaus mussten, hat die Feuerwehr eine Hotline eingerichtet. Schulleiter Frank Adolph, der "in wenigen Stunden um Jahre gealtert" ist, kann endlich durchatmen. Feuerwehr-Chef Albers-Hain vermag dem Ganzen trotz allem etwas Positives abzugewinnen: "Der Einsatz lief wie am Schnürchen. So, wie wir es letzte Woche bei einer Katastrophenschutz-Übung geprobt haben." -pf.

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