Bischof rügt Israels Politik in Ostjerusalem

Jerusalem · Der Bischof von Trier, Stephan Ackermann, hat die israelische Politik in Ostjerusalem kritisiert. Der Trierer Oberhirte, der gestern von einer Nahostreise zurückerwartet wurde, äußerte sich im Gespräch mit unserer Zeitung.

 Bischof Stephan Ackermann. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Bischof Stephan Ackermann. TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat in dieser Woche eine Delegation der katholischen deutschen Bischöfe bei einem Besuch im Nahen Osten geleitet. Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Norbert Freund.

Vertreter europäischer und nordamerikanischer Bischofskonferenzen halten sich zurzeit im Heiligen Land auf. Wie stellt sich die Lage dort aus Ihrer Sicht dar?

Ackermann: Die Altstadt von Jerusalem ist die Hauptstadt dreier Weltreligionen: des Judentums, des Islams und des Christentums. Im Fokus unseres Besuchs steht vor diesem Hintergrund das überwiegend muslimische Ostjerusalem. Es geht um die alltäglichen Schwierigkeiten, die die Christen, aber auch die muslimischen Palästinenser dort haben, etwa Visa-Probleme. Es geht um die Mauer, die Teile von Ostjerusalem umgibt.

Sie meinen, die Lebensumstände der arabischen Christen dort unterscheiden sich nicht grundlegend von denen der muslimischen Palästinenser?

Ackermann: In mancherlei Hinsicht ist die Lage für arabische Christen sogar noch schwieriger, da diese sich in einer doppelten Minderheitensituation befinden. Dabei muss man wissen, dass sie nur zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen. Bewohner von Ostjerusalem, die im Westteil der Stadt arbeiten, benötigen dafür eine Aufenthaltserlaubnis. Das schränkt das Leben massiv ein. Zudem ist es für Araber ungleich schwerer, in Ostjerusalem eine Baugenehmigung zu erhalten, als für Israelis. Offenbar versucht die israelische Seite, durch diese Genehmigungspraxis Fakten zu schaffen. Weil Araber oft keine Genehmigung erhalten, bauen sie häufig ohne eine solche Erlaubnis. Die so entstandenen Häuser sind dann aber ständig vom Abriss bedroht.

Haben Sie mit der israelischen Seite über diese Probleme sprechen können?

Ackermann: Es gab vonseiten der Bischöfe ein Gespräch mit dem stellvertretenden Außenminister von Israel. Dort hat man uns freundlich zugehört. Das Gespräch blieb aber ohne greifbares Ergebnis.

Sie waren nicht nur in Ostjerusalem. Am Dienstag haben Sie die katholische Universität in Bethlehem besucht. Was waren die wichtigsten Eindrücke, die Sie dort sammeln konnten?

Ackermann: Dort gibt es rund 3000 Studenten. Nur rund 20 Prozent von ihnen sind Christen. Diese Universität ist eine wirkliche Insel der Hoffnung, weil hier der gegenseitige Respekt von Menschen unterschiedlichen Glaubens gelebt wird. Auf der anderen Seite gibt es aufgrund des politischen Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern einen schleichenden Exodus von Christen aus dem Heiligen Land. Der christliche Glaube kann dort immer weniger gelebt werden. Dadurch drohen die Stätten des Christentums einen immer musealeren Charakter anzunehmen.

Welche Erkenntnisse nehmen Sie für das Bistum Trier von Ihrer Reise mit?

Ackermann: Die Entfremdung zwischen Israelis und Arabern ist so weit gediehen, dass sie vielfach kaum noch miteinander Kontakt haben. Vor diesem Hintergrund ist mir der Stellenwert menschlicher Begegnungen deutlich geworden. Bei Pilgerfahrten aus dem Bistum in das Heilige Land sollten wir verstärkt darauf achten, dass wir dort nicht nur die heiligen Stätten besuchen, sondern auch mit den Christen vor Ort in Kontakt treten, um deren Situation kennenzulernen.

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