Bomberbesatzung stürzt im Hunsrück in den Tod

Stipshausen · Anfang Dezember 1944 wurden im Hunsrück mehrere amerikanische Bomber abgeschossen: einer davon bei Bundenbach, ein weiterer im Idarwald nahe Stipshausen. Vorausgegangen war ein Angriff der Bomber auf den Verschiebebahnhof in Bingen.

 Einer hatte großes Glück: Anders als seine neun Kameraden, die über dem Idarwald abgeschossen wurden und starben, gehörte Korporal Long (unten rechts) am 2. Dezember 1944 nicht zur Besatzung der B 42. Foto: privat

Einer hatte großes Glück: Anders als seine neun Kameraden, die über dem Idarwald abgeschossen wurden und starben, gehörte Korporal Long (unten rechts) am 2. Dezember 1944 nicht zur Besatzung der B 42. Foto: privat

Stipshausen. Der 2. Dezember 1944 war ein trüber Samstag. Die US-Air-Force hatte an jenem Tag die Absicht, strategisch wichtige Eisenbahnanlagen im Rhein-Main-Gebiet zu zerstören. In Rundfunkmeldungen wurde die Bevölkerung vor starken feindlichen Bomberverbänden gewarnt. Unter anderem waren mehrere amerikanische Bomberstaffeln mit ihren schweren B 24-Bombern mit dem Ziel Bingen in der Luft. Nicht zum ersten Mal waren die dortigen Eisenbahnanlagen Ziel alliierter Angriffe.
Das erste Bombardement setzte bereits Ende September 1944 ein. In Bingerbrück gab es 123 Todesopfer. Es sollten bis zum Jahresende noch fünf weitere Angriffe folgen. Der schwerste war ein Großangriff zwei Tage vor Silvester, bei dem Bingerbrück schwerstens verwüstet wurde.
Seine Spuren auch im Hunsrück hinterlassen hat dagegen der Angriff vom 2. Dezember. Nachdem die B24-Flugzeuge ihren Angriff auf die Eisenbahnanlagen gestartet hatten, wurden sie von deutschen Focke-Wulf-Jagdflugzeugen hart attackiert und in nordöstlicher Richtung verfolgt.
Der B24-Bomber war zwar das meistgebaute amerikanische Flugzeug im Zweiten Weltkrieg. Er galt allerdings als nicht so flugfreundlich wie das Vorgängermodell, die B 17. Dieser Umstand erleichterte möglicherweise den deutschen Jägern die Verfolgung. Etliche der amerikanischen Maschinen wurden jedenfalls von den Deutschen abgeschossen - allein sieben davon in der Region zwischen Nahe, Hunsrück und Mosel. Nur wenige Besatzungsmitglieder der Bomber überlebten die Angriffe der deutschen Jäger.Monatelang im Krankenhaus


Am meisten Glück hatte die Crew von Walter C. Buaas. Den Abschuss bei Merxheim überlebten sechs von neun seiner Männer. In Bruttig bei Klotten an der Mosel erwischte es den Bomber des Piloten Howard Watkins. Von den neun Soldaten an Bord überlebte nur einer. Zwei Überlebende gab es beim Abschuss der Maschine von Eugene L. Comeau in der Nähe von Gemünden beim Dorf Sargenroth. Im Luftraum über Kellenbach wurde der Flieger des Piloten Glenn R. Billingsley getroffen. Bevor die Maschine in der Luft explodierte, konnten fünf der zehn Besatzungsmitglieder noch mit dem Fallschirm abspringen. Die sterblichen Überreste des Piloten fanden zwei Metallsucher aus Kirchberg erst Ende August 1950. Die Erkennungsmarke - "Dog tag" im US-Militärjargon - identifizierte Glenn R. Billingsley zweifelsfrei.
Bei Schwarzerden im Saarland ging die B 24 von Herbert L. Bayless zu Boden, nachdem sie in Brand geschossen worden war. Fünf Männer der Crew fanden den Tod, vier überlebten. In der Nähe von Bundenbach wurde der Bomber von John C. Hobbs abgeschossen, wobei sieben von neun Soldaten der Besatzung ums Leben kamen. Nur Seymor Richfertig und Don W. Montre überlebten.
Von Louis Montre, dem Bruder des Flugingenieurs Don Montre, existiert ein Bericht, der die Erinnerungen des Bruders an den Abschuss widerspiegelt. Danach habe die Maschine nach einem Treffer Feuer gefangen. Wahrscheinlich seien dabei bereits die ersten Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen.
Don habe in aller Eile den Fallschirm gegriffen und sei durch die Flammen zum aufgerissenen Bombenschacht gerannt. Sein Bruder habe nur noch die eiskalte Dezemberluft gespürt, bevor er das Bewusstsein verlor, schreibt Louis Montre.
Erst nach einer beachtlichen Strecke des freien Falls sei er wieder zu sich gekommen und habe verzweifelt versucht, mit seinen verbrannten Händen die Reißleine zu ziehen, was schließlich auch gelungen sei. Allerdings habe im Fallschirm ein riesiges Brandloch geklafft. So sei er dem Boden entgegengerast. Zu seinem Glück verhedderte sich der Schirm vor dem Aufschlag in einem großen Baum. Dieser Umstand habe seinem Bruder das Leben gerettet. Einheimische hätten Don aus dem Baum geholt und in ein Hospital, möglicherweise nach Kirn, gebracht.Kein Crewmitglied überlebte


Mit schweren Brandverletzungen an Händen und Gesicht sei Don Montre nach dem Krieg noch 18 Monate lang in einem kalifornischen Krankenhaus behandelt worden. Nach dem Absprung von Montre und Richfertig muss die B 24 noch in der Luft explodiert sein. Die Trümmer verteilten sich über ein großes Areal.
Im Idarwald bei Stipshausen gingen die Trümmer einer weiteren B 24 in einem Umkreis von drei Kilometern zu Boden. Keiner der neun Flieger an Bord überlebte den Abschuss. Zuvor hatte man offenbar noch den Bombenschacht geleert. Auf der Anhöhe im Wald südlich von Stipshausen in Richtung Sulzbach zeugen neun Bombenlöcher noch heute davon. Zeitzeugen in Stipshausen berichteten, dass der Luftkampf von den Einwohnern unterschiedlich bewertet wurde. Während einige sofort in die Häuser flüchteten, seien andere, teils sogar mit Kindern, auf die Straße geeilt, um sich das Spektakel anzusehen. Zehn Tage später, am 12. Dezember 1944, wurden die gefallenen US-Flieger auf dem Friedhof in Rhaunen beigesetzt.Viele der Gefallenen exhumiert


Nachdem die Amerikaner die Region vom Naziterror befreit hatten, wurden viele der Gefallenen exhumiert und auf Soldatenfriedhöfen beigesetzt, etwa dem Ardennenfriedhof in Belgien. Die Gefallenen, die in Rhaunen exhumiert wurden, hat man auf dem Soldatenfriedhof Cemetery of Lorraine bei St. Avold bestattet.
Dieser amerikanische Friedhof wurde eigens zu Ehren der Gefallen errichtet, die bei der Eroberung der Rheinregion gefallen sind. Der Friedhof in Lothringen ist mit mehr als 10 000 Gräbern der größte US-amerikanische Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs.
Unklar erscheint, warum der linke Schütze Arthur Montez auf dem Nationalfriedhof Houston beigesetzt wurde und für drei weitere Mitglieder der Crew, darunter den Piloten Cieply, jeglicher Hinweis auf eine Umbettung fehlt.
Posthum wurden fast alle Gefallenen dieser Mission vom amerikanischen Militär ausgezeichnet. Einige der B 24-Crews, die am 2. Dezember 1944 im Einsatz waren, hatten sich Mut machende Spitznamen zugelegt. Der Nickname der Cieply-Gruppe, die im Idarwald den Tod fand, lautete "Heaven can wait" - "Der Himmel kann warten": eine Losung, die der Besatzung an diesem Tag kein Glück gebracht hat.