Brandstifter oder Biedermänner? - Führende rheinland-pfälzische Sozialdemokraten fordern Ächtung der AfD

Mainz · "Brandstifter", "Rechtsradikale im Schafspelz", "Hetzer": Mit kaum zu überbietender Deutlichkeit haben führende rheinland-pfälzische Sozialdemokraten in den vergangenen Tagen die Alternative für Deutschland (AfD) attackiert und zur Ächtung der Partei aufgefordert. Fruchtet der Appell oder könnte der Schuss am Ende auch nach hinten losgehen?

Brandstifter oder Biedermänner? - Führende rheinland-pfälzische Sozialdemokraten fordern Ächtung der AfD
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Mainz. "Wir brauchen einen Aufstand der Anständigen, bevor es zu einem Aufstand der Unanständigen kommt." Dieser Satz kommt ausgerechnet aus dem Mund von jemandem, den - wegen seiner Parteizugehörigkeit - nicht wenige Politiker zu eben jenen Unanständigen zählen würden. Der Trierer Michael Frisch sitzt im AfD-Landesvorstand und kandidiert auf einem aussichtsreichen Listenplatz für den nächsten Landtag.

Hält der Aufwärtstrend seiner in Rheinland-Pfalz zuletzt auf vier Prozent taxierten Partei an, dürfte der AfD im März der Sprung ins Mainzer Parlament gelingen.

In nach Angaben von AfD-Sprecher Jan Bollinger etwa 30 rheinland-pfälzischen Kommunalparlamenten ist die Partei, die sich vor wenigen Monaten nach heftigen internen Querelen gespalten hat, bereits vertreten. Insbesondere diese Kreistage, Verbandsgemeinde- und Stadträte hat SPD-Landtagsfraktionschef Alexander Schweitzer im Auge, wenn er nun fordert, es dürfe keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, keine gemeinsamen Aufrufe, keine Unterstützung in den Kommunalparlamenten. "Wir brauchen eine klare Ansage aller politischen Parteien in Rheinland-Pfalz, dass wir die AfD ächten."

Der SPD-Landeschef und Innenminister Roger Lewentz nennt die Rechtspopulisten bereits in einem Atemzug mit Pegida (siehe Bericht unten) und der rechtsextremen Partei "Der dritte Weg". Alle drei Gruppierungen instrumentalisierten Vorurteile und Ängste gegenüber Flüchtlingen zum eigenen politischen Vorteil, sagt Lewentz. "Diese Hetzer und Brandstifter treten die humanistischen Grundwerte unserer Gesellschaft mit Füßen."
Er erwarte Differenzierungsvermögen statt Beschimpfungen, kontert AfD-Vorstandsmitglied Michael Frisch. Die SPD werfe alle in einen Topf und schlage drauf. "Am Ende wird sie das Gegenteil von dem erreichen, was sie will", glaubt Frisch.

Auch FDP-Landeschef Volker Wissing hält wenig von der Ächtungsstrategie. "Nicht die Ächtung oder Verbote von Meinungen sind die richtige Antwort einer Demokratie auf die Herausforderung durch AfD & Co., sondern die entschlossene Gegenposition aller Demokraten", sagte Wissing unserer Zeitung. Eine Demokratie müsse streitfähig bleiben und dürfe sich nicht hinter einem Wall aus Meinungs- und Parteiverboten verschanzen.
Rückendeckung bekommt die SPD dagegen vom Grünen-Koalitionspartner. Fraktionschef Daniel Köbler sagt, vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse erwarte er von allen demokratischen Kräften eine klare Abgrenzung ohne Wenn und Aber. "Das gilt vor allem für Julia Klöckner und ihre CDU-Kollegen, die in ihrer Rhetorik immer wieder die Stichworte für die Rechten liefern."

Deren Generalsekretär Patrick Schnieder konterte, er würde sich wünschen, "dass die SPD eine Koalition mit der Partei Die Linke nach der Wahl so klar und kategorisch ausschließt, wie wir das mit der AfD längst getan haben". Linken-Landesvorsitzende Katrin Werner bescheinigt der SPD, es sei höchste Zeit, dass die Partei in dem Punkt aufgewacht sei. "Wir haben die Ausgrenzung der AfD schon vor der Kommunalwahl gefordert."

AfD-Landtagskandidat Michael Frisch ist derweil sicher, dass er und seine Parteikollegen zu den Anständigen im Land gehören, denen die Ausgrenzungspolitik der etablierten Parteien letztlich nur nutzen werde. "Den Schaden tragen die anderen davon." Schon die nächsten Umfragen werden zeigen, wer recht behält.Extra

Die Sorgen vieler Deutscher wegen der Folgen der Flüchtlingskrise nehmen einer Umfrage zufolge weiter zu. Wie aus einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hervorgeht, gaben 54 Prozent der Befragten an, die Entwicklung der Flüchtlingssituation in Deutschland bereite ihnen "große Sorgen"; im August waren es 40 Prozent. In demselben Zeitraum ging die Zahl derer, die sich "etwas Sorgen" machen, von 45 Prozent auf 38 Prozent zurück. In der Umfrage sprachen sich 56 Prozent für eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus. Eine große Mehrheit will Flüchtlinge aus Kriegsgebieten aufnehmen, andere aber rasch und konsequent abschieben. Als Folge der wachsenden Sorgen ging den Angaben zufolge die Zustimmung für die CDU/CSU von 42 Prozent in der ersten Septemberhälfte auf 38 Prozent zurück. Sie ist damit auf dem niedrigsten Wert seit der Bundestagswahl von 2013. Die SPD legte leicht von 25,5 Prozent auf 26 Prozent zu, die AfD verdoppelte ihre Zustimmungsrate auf sieben Prozent. Nahezu unverändert blieben die Werte der anderen Parteien. KNA

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