Browns "Debakel" kann Merkels Vorteil sein

Von den Spannungen zwischen dem britischen Premierminister Gordon Brown und US-Präsident Barack Obama könnte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel profitieren.

Washington. "Unglaublich". Oder: "We are not amused" - wir sind nicht erfreut. Immer noch machen britische Diplomaten in Washington aus ihrem Herzen keine Mördergrube, wenn deutsche Kollegen sie auf den Besuch von Premierminister Gordon Brown bei Barack Obama ansprechen. Brown, als erster europäischer Regierungschef vergangene Woche zu Gast im Weißen Haus, wollte - so die offizielle Lesart - die Verbindungen zwischen Großbritannien und den USA verbessern.

Doch was sich bei dem Staatsbesuch vor und hinter den Kulissen abspielte, wird mittlerweile nicht nur von Briten in den USA und auf der Insel, sondern auch politischen Beobachtern als diplomatisches Debakel mit weitreichenden Folgen eingestuft. Woraus sich vor allem für die Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel eine wichtige Schlussfolgerung ergibt: Schon bei der bevorstehenden Europareise von Barack Obama in der ersten Aprilwoche könnte sich herauskristallisieren, dass die Deutschen für den 2008 bei seinem Berliner Siegessäulen-Auftritt begeistert gefeierten Wahlsieger künftig Ansprechpartner Nummer eins in Europa sind.

War unter George W. Bush der Schulterschluss mit den Briten und Tony Blair vor allem durch die militärische Kooperation im Irak und in Afghanistan noch eng, so wurde offenbar beim Treffen Obama-Brown soviel Porzellan zerschlagen, dass der US-Historiker Arthur Herman von einem "diplomatischen Desaster" spricht, das schon mit den gegenseitigen Geschenken begann.

Obamas DVD-Geschenk brüskiert die Briten



Brown kam mit sorgfältig ausgewählten Präsenten - wie einer Schreibtisch-Garnitur, die aus dem Holz des einst im Kampf gegen den Sklaventransport eingesetzten "Royal Navy"-Schlachtschiffs HMS President hergestellt ist, und der Erstausgabe einer Winston Churchill-Biografie. Obama hingegen überreichte dem stark sehbehinderten Gast ausgerechnet einen Stapel an populären DVD-Hollywoodhits, die noch nicht einmal auf britischen Systemen abspielbar sind. "Filme, die Brown von der Videothek an der nächsten Ecke hätte leihen können," bemerkten britische Medienvertreter und Diplomaten süffisant-verärgert.

Hinzu kam, dass das Weiße Haus den früh angemeldeten Wunsch der Briten nach einer ausführlichen gemeinsamen Pressekonferenz abschlug und auch - entgegen der bisherigen Gepflogenheiten - kein formelles Dinner geben wollte. Reporter vom britischen "Daily Telegraph" sprachen deshalb auch von einer "rüden Behandlung" durch den Gastgeber.

Erste Spannungen hatten sich bereits wenige Tage nach dem Amtsantritt Obamas abgezeichnet. Damals ordnete der Präsident die Entfernung einer bronzenen Winston Churchill-Büste an, die Tony Blair nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 George W. Bush gegeben hatte und die seitdem zum Inventar des Weißen Hauses zählte. Die Büste wurde kommentarlos an die Botschaft Großbritanniens in Washington zurückgeschickt - was dort als Affront gegenüber einem Staatsmann angesehen wurde, der einst den Kampf Europas gegen die Nazi-Herrschaft angeführt hatte. Als nach dem Brown-Besuch britische Diplomaten bei Außenministerin Hillary Clinton nachfragten, welchen Hintergrund die als ungewöhnlich kalt empfundene Behandlung des Gastes habe, kam von dort laut "Sunday Telegraph" eine Antwort, die man in London als ultimative Brüskierung und Bruch mit der Vergangenheit empfindet: Es gebe keine spezielle Beziehung zwischen den USA und Großbritannien, das "nicht anders sei als die anderen 190 Länder dieser Welt".

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