Bürgerbeteiligung: Prinzip mit Haken

TRIER/NEUERBURG. Welchen Stellenwert besitzt die Bürgerbeteiligung heute? Wie kann sie verbessert werden? Mit diesen Fragen haben sich am Wochenende Mitarbeiter der Lokalen-Agenda-21-Prozesse in Rhein- land-Pfalz bei ihrem 7. Landestreffen in Trier befasst. Ein Schwerpunkt lag dabei auf dem Modellprojekt 21 für eine nachhaltige Kommunalpolitik, an dem die Verbandsgemeinde Neuerbug teilnimmt.

Die VG Neuerburg liegt vorn. Zumindest, wenn es um die Umsetzung des rheinland-pfälzischen Pilot-Projekts 21 zur Entwicklung einer nachhaltigen Kommunalpolitik geht (siehe Stichwort). Michael Staaden vom Mainzer Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz sowie Christian Calonec-Rauchfuß von der Tourismus- und Wirtschaftsförderung der VG Neuerburg erläuterten am Samstag beim siebten Agenda-21-Landestreffen an der Katholischen Akademie in Trier, wie die 10 000-Einwohner-Kommune an der luxemburgischen Grenze in punkto Projekt 21 vorgegangen ist, und wo sie derzeit steht. Dabei wurde deutlich, dass die erwünschte Bürgerbeteiligung nicht leicht zu erreichen ist. Das Projekt 21 verläuft so: Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts mündet in ein Handlungsprogramm für eine nachhaltige Kommunalpolitik, das vor allem von den Bürgern erarbeitet werden soll. Am Ende steht ein Beschluss dieses Programms durch politische Gremien, im Fall Neuerburg den VG-Rat. Kernhandlungsfelder Wohnen und Einkommen

"Wir haben uns als Pilotkommune beworben, weil wir den Lokalen Agenda-21-Prozess anstoßen wollten", berichtet Calonec-Rauchfuß. "Unser Ziel war, alle Bürger und gesellschaftlichen Gruppen zu beteiligen und die Politik sowie vorhandene Arbeitskreise einzubinden." Nachdem die VG als eine von zehn rheinland-pfälzischen Projekt-21-Pilot-Kommunen ausgewählt worden war, rief man die Bürger über die Medien zur Beteiligung auf. In zwei Workshops saßen Bürger mit Vertretern von Vereinen, Kammern, Banken und der Initiative Region Trier, mit Planern, Architekten und Unternehmern zusammen. Dort entwickelte man die beiden Kernhandlungsfelder Wohnen und Einkommen. "Das sind Themen, die alle unserer 49 Ortsgemeinden betreffen", sagt Calonec-Rauchfuß. Konkret geht es beispielsweise darum, die Ausweisung von Baugebieten zu Gunsten leer stehender Häuser im Ortskern zu bremsen, junge Leute in der VG zu halten, Zuziehende aus Luxemburg zu integrieren oder neue Einkommensquellen im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe zu schaffen. Konsequent habe man das Prinzip "Von unten nach oben" umzusetzen versucht, berichtet Calonec-Rauchfuß. Staaden lobt: "Die Verbandsgemeinde Neuerburg ist von allen Pilot-Kommunen am weitesten." Steffen Büffel, Medienwissenschaftler der Universität Trier, hatte zuvor über die Möglichkeiten gesprochen, die das Internet für Bürgerbeteiligung bietet. Vor allem über Web-logs - Tagebücher im Internet, wie sie auch der TV anbietet - könnten sich Bürger Öffentlichkeit verschaffen und sich in Meinungsbildungsprozesse einbringen, sagte Büffel. Aber: Erst 60 Prozent der Haushalte hätten Zugang zum Internet, und viele Bürger trauten sich nicht, Texte zu schreiben. Am Ende der Tagung stand das Fazit, dass eine umfassende Bürgerbeteiligung noch ein unerfüllter Wunsch bleibt. Wenn aber alle betroffenen Gruppen im Meinungsbildungsprozess vertreten seien, sei es nicht schlimm, wenn sich nicht jeder einzelne Bürger einbringe, hieß es. Und Calonec-Rauchfuß warb dafür, sich über die Fortschritte zu freuen: Das Projekt 21 sei vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen. "Bürgerbeteiligung bedeutet nicht, die Leute zu zwingen", sagte er, "sondern ihnen das Angebot zu unterbreiten."

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