Pläne zur Cannabis-Legalisierung Kommentar: Ein Joint taugt nicht als Freiheitssymbol

Meinung · Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren und damit nicht weniger als einen neuen Standard für europäische Drogenpolitik setzen. Der Impuls ist richtig, ein Grund zum Jubeln ist das nun beschlossene Eckpunktepapier trotzdem nicht.

20 bis 30 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum sollen in Deutschland demnächst straffrei sein.

20 bis 30 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum sollen in Deutschland demnächst straffrei sein.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Es sei kein Lifestyle-Projekt, sagte Karl Lauterbach fast beiläufig auf der Bundespressekonferenz am Mittwoch in Berlin. Einer der Termine des Bundesgesundheitsministers, der seit den Maßnahmen-Pakete der Pandemie-Hochphase erstmals wieder das Interesse der breiten Masse geweckt haben dürfte. Auch wenn das Thema, man könnte auch sagen der Lifestyle, eher eine Minderheit unmittelbar betrifft: Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland. „Wenn dieses Gesetz käme“, erklärt der SPD-Minister, „wäre es das liberalste Modell in Europa.“ Um das voranzubringen, hat sich die Ampel-Regierung auf ein Eckpunktepapier geeinigt. Und das aus guten Gründen.

Rauschmittel wird immer beliebter - Cannabis-Konsum nicht zu verhindern

Cannabis-Konsum – und damit auch der Handel mit der Droge, die wie Tabak und Alkohol gesundheitsschädlich sein kann, – ist nicht zu verhindern. Im Gegenteil, das Rauschmittel wird immer beliebter: Bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren hat jeder Zehnte schon mindestens einmal Cannabis konsumiert, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihrem jüngsten Forschungsbericht 2019. Im Jahr 2011 war es noch jeder Zwanzigste. Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren ist die Verbreitung noch höher: Fast jeder Zweite gibt an, schon einmal gekifft zu haben (46,4 Prozent). „Cannabis ist weiter die in Deutschland am meisten gehandelte und konsumierte Drogenart“, resümierte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, den Lagebericht zur Rauschgiftkriminalität 2020.

Die Ziele der Ampelregierung, die damit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen will, sind: Besserer Gesundheitsschutz, besserer Kinder- und Jugendschutz und die Entkriminalisierung. Was widersprüchlich wirkt, will Lauterbach ausdrücklich als „in sich geschlossene Philosophie“ verstanden wissen, als „Pionierarbeit für die europäische Drogenpolitik“. Die Beweggründe sind nachvollziehbar, die Bestrebungen ehrenwert – trotzdem ist das Eckpunktepapier kein Grund zum Jubel.

Um eine Freigabe des Rauschmittels, dessen Konsum in den Niederlanden seit 1976 legal ist, kommt man nicht herum. Selbst Justizminister Marco Buschmann bekennt auf Twitter: „Eine rein repressive Drogenpolitik ist gescheitert.“ Man wolle den Konsum „verantwortbar legalisieren“. Damit das aber besser läuft als im Nachbarland, wo Anbau und Handel nach wie vor verboten und daher in der Illegalität ablaufen, müssen in Deutschland viele Fragen geklärt werden: Wie soll verhindert werden, dass jemand in der einen Apotheke die erlaubten 20 oder 30 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum kauft und es in der nächsten nicht genauso tut? Welcher Verkaufspreis ist angemessen, um das Dealen unattraktiv werden zu lassen? Wer kontrolliert, ob nur die drei erlaubten Pflanzen pro volljähriger Person im Haushalt angebaut und vor Kindern und Jugendlichen geschützt werden?

Cannabis-Legalisierung: Regierung hat Drogentourismus aus dem Ausland wenig entgegenzusetzen

Auch dem möglichen Drogentourismus aus dem Ausland hat die Regierung wenig entgegenzusetzen. In vielen Ländern Europas blühe ja der Schwarzmarkt, sagt Lauterbach, da sei die deutsche Variante sicher nicht viel interessanter. Ein schwaches Argument, was sich an Rausch-Ausflügen vieler Deutscher in die Niederlande schnell widerlegen ließe. Den Konsum kann kein Staat verhindern, so viel ist klar. Die Entkriminalisierung vor allem des Handels ist ein richtiger Schritt, weil er Behörden entlastet, Kosten senkt, Steuereinnahmen sichert. Auch der Gesundheit kommen kontrollierter Anbau und zertifizierte Anbieter zugute. Gerade aber beim Thema Kinder- und Jugendschutz, dem dritten erklärten Ziel des Vorstoßes, sind noch zu viele Fragen offen. Bei Heranwachsenden kann Cannabis ernsthafte Schäden anrichten, ein Joint in der Hand darf daher nicht als Freiheitssymbol dienen.

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