Straßenbau Eine neue Baustelle: Marode Straßen im Land

Mainz · Steckt das Land tatsächlich mehr Geld in Infrastruktur? Die CDU spricht von einer „Milchmädchenrechnung“. Ein Abgeordneter kritisiert gar einen Wirtschaftsverband, der Minister Wissing lobt.

 Aus Sicht der Landes-CDU nimmt die Ampelkoalition beim Straßenbau viel zu wenig Geld in die Hand.

Aus Sicht der Landes-CDU nimmt die Ampelkoalition beim Straßenbau viel zu wenig Geld in die Hand.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Als die rheinland-pfälzische Koalition aus SPD, FDP und Grünen jüngst in die Halbzeitpause ging, bewertete auch die Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU) die Ampel in einer Pressemitteilung. Ein Lob von Präsident Gerhard Braun an Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat dabei Ärger bei der CDU-Fraktion im Mainzer Landtag entfacht. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Martin Brandl kritisiert den Wirtschaftsverband für einen CDU-Politiker ungewohnt harsch: „Die jüngsten Stellungnahmen des LVU zur Entwicklung des Verkehrsetats der Landesregierung machen mich sprachlos“, sagt er dem TV.

Brandl reibt sich an der Aussage von Braun, wonach sich bei der Verkehrsinfrastruktur in Rheinland-Pfalz der Knoten gelöst habe. Braun sagte in der Mitteilung: „Die Regierung hat die Investitionen in Erhalt und Ausbau deutlich erhöht und damit eine der Kernforderungen der Wirtschaft erfüllt.“ Brandl sieht das völlig anders. „Angesichts eines Sanierungsstaus im Verkehrsbereich in Höhe von einer Milliarde Euro erwarte ich von einem Wirtschaftsverband, dass er sich nicht mit einer Erhöhung zufrieden gibt, die noch nicht einmal im Ansatz die Steigerung der Baukosten auffängt“, moniert er. Von einer deutlichen Erhöhung könne keine Rede sein.

Doch wo genau liegt das Problem der CDU? Im kommenden Doppelhaushalt steigen die Ausgaben für Landesstraßen von 121,4 Millionen Euro in diesem Jahr auf 124,3 Millionen Euro im Jahr 2019 und 126,3 Millionen Euro 2020. „Eine Milchmädchenrechnung“, nennt das Gabriele Wieland, verkehrspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Sie warnt vor massiv steigenden Baukosten bei Straßen, die der Haushalt vernachlässige. Nach dem Statistischen Landesamt seien die Kosten von Mai 2017 bis 2018 um 5,6 Prozent nach oben geschnellt. Die CDU rechnet auch in den kommenden beiden Jahren mit Sprüngen von je fünf Prozent. Danach müssten die Ausgaben für Landesstraßen alleine im kommenden Jahr um mehr als drei Millionen Euro höherliegen als vom Verkehrsministerium veranschlagt – und 2020 gar um mehr als vier Millionen Euro, damit Rheinland-Pfalz überhaupt auf dem alten Stand bauen könne. „Was das Land bereitstellt, reicht nicht, um den Investitionsstau maroder Straßen und Brücken abzubauen“, sagt Wieland. 55 Prozent des Straßennetzes sind nach einem Bericht des Rechnungshofes in einem problematischen bis sehr schlechten Zustand.

Die CDU fordert, in den kommenden beiden Jahren 46,1 Millionen Euro mehr als von der Ampelkoalition geplant in die Landesstraßen zu investieren. 33,1 Millionen davon sollen in die Sanierung fließen. Zusätzliche Millionen müsse das Land abstellen, um Aufträge an externe Ingenieurbüros zu vergeben. Neuzugänge, die das Land einstelle, könnten altersbedingte Abgänge nicht auffangen.

   Martin Brandl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag.

Martin Brandl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag.

Foto: s_wirt <s_wirt@volksfreund.de> - Willy Speicher

Gegen die Kritik der CDU wehrt sich das Verkehrsministerium, das in den kommenden beiden Jahren mit rund 33 Millionen Euro Landesstraßenprojekte in der Region Trier fördern will – wie etwa die Nord-Ost-Tangente um Bitburg. „Nach mehr Geld zu rufen, ist einfach, aber nicht zielführend“, sagt eine Sprecherin auf TV-Anfrage. „Wir haben so viele Baustellen im Land wie nie zuvor. Wer viel Auto fährt, weiß das. Noch mehr Baustellen kann das Straßennetz gar nicht aufnehmen.“ Auftragsbücher von Bauwirtschaft und Ingenieurbüros seien voll. Die 600 Millionen Euro, die in dieser Legislaturperiode in Landesstraßen fließen sollen, nennt die Sprecherin eine „nie dagewesene Bausumme“.

Wieland rechnet da anders. „Was früher 90 Millionen Euro waren, sind heute vielleicht schon 110 Millionen.“ Ihre Forderung: „Wenn die Konjunktur boomt und Steuereinnahmen steigen, steht das Land in der Pflicht, Infrastruktur für künftige Generationen bereitzustellen und die Wirtschaft fit zu machen.“ Das Lob der LVU für die Ampelkoalition erschließt sich Martin Brandl wiederum nicht – und hat einen im Land wohl selten gehörten CDU-Seitenhieb auf die Wirtschaft zur Folge. Brandl sieht den Verband gefordert, „Druck auf den Verkehrsminister auszuüben“, sagt er. „Alles andere führt zu einem weiteren Substanzverlust – und der geht gerade auch zulasten derer, die die LVU eigentlich vertritt.“

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