Porträt „Lewwerworscht“ statt Krawalle: Das ist Christian Baldauf, der rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidat 2021

Mainz · Ein AC/DC-Fan, der ruhige Töne schätzt: Ein Porträt des Mannes, der Malu Dreyer bei der kommenden Landtagswahl schlagen will.

 Christian Baldauf, hier beim Gespräch in der TV-Redaktion (Archivbild)

Christian Baldauf, hier beim Gespräch in der TV-Redaktion (Archivbild)

Foto: TV/Florian Schlecht

Jüngst postete Christian Baldauf ein Video auf Youtube. Er klatschte zu Gitarren-Begleitung in die Hände, wippte mit den Hüften und sang fröhlich das „Lewwerworscht“-Lied einer Frankenthaler Band. Eine Stimme hat der CDU-Politiker, der in einem Männerchor gerne mal Songs von AC/DC und Metallica singt. Schafft es Baldauf aber auch, genügend Stimmen hinter sich zu bringen, um Ministerpräsident zu werden? 2021 tritt der 51-Jährige gegen Malu Dreyer an. Julia Klöckner, die CDU-Landeschefin bleibt, hat ihn in einer Mainzer Bierbrauerei als Spitzenkandidat vorgeschlagen, verzichtet selber auf eine dritte Kandidatur im Land. Immer wieder tönte lauter Applaus aus dem Saal, in dem der Landesvorstand tagte.

Doch wer ist der Mann, der die Triererin Malu Dreyer um das höchste politische Amt im Land herausfordert? Baldauf führt seit März 2018 die CDU-Fraktion im Mainzer Landtag an. Doch die politische Karriere des Frankenthaler Anwalts und zweifachen Familienvaters reicht weiter zurück. 2006 übernahm er die Fraktion schon einmal nach einem Spendenskandal. Die Stimmung in den eigenen Reihen war vergiftet, die Kasse leer.

Als interner Widersacher in der CDU galt damals der rebellische Eifeler Michael Billen, der erfahrene Ministerpräsident Kurt Beck stutzte den damals erst 38-jährigen Baldauf im Landtag „gerne wie einen Grünschnabel zurecht“, erinnern sich Abgeordnete. Vor der Landtagswahl 2011 ließ der Pfälzer Julia Klöckner den Vortritt, gegen den SPD-Ministerpräsidenten anzutreten.

Keine leichte Zeit. Doch die eigene Partei rechnet Baldauf die Aufbauarbeit bis heute hoch an. Nun ist der Pfälzer am Zug. Kritische Beobachter aus dem Regierungslager lästern zwar, schon als Fraktionschef habe Baldauf kaum geliefert. Vorschläge unterbreitete der zweifache Familienvater bislang zu einem Hochwasser-Fonds und einem Opferschutzbeauftragten für Rheinland-Pfalz.

In den eigenen Reihen ist Baldauf wiederum beliebt, weil er Teamspieler ist und Freiräume lässt. Der Rioler CDU-Parlamentarier Arnold Schmitt sagte mal: „Ich schätze den kollegialen Führungsstil von Christian Baldauf mehr als den dominanten Stil von Julia Klöckner. Wir diskutieren in der Fraktion wieder intensiver über Probleme, tauschen uns offener aus, akzeptieren verschiedene Meinungen, niemand wird gleich abgewürgt. Mir macht das Spaß.“ Die Basis hofierte den Fan des 1. FC Kaiserslautern bei Abstimmungen, als Parteivize fuhr Baldauf 92 Prozent ein.

Der Pfälzer weiß auch Strömungen einzubinden. Mit Jens Münster arbeitet der Landeschef der Jungen Union in der Fraktion, mit dem Vulkaneifeler Gordon Schnieder von der kommunalpolitischen Vereinigung versteht er sich gut, der künftige Generalsekretär Gerd Schreiner ist als Großstadt-Mensch mit sozialer Ader ein enger Vertrauter, die Landtagsabgeordnete Ellen Demuth steht als starke Verfechterin von Frauen-Themen vor einer Beförderung in den CDU-Reihen des Mainzer Landtags.

Im Ton ist Baldauf bedachter als Klöckner, nicht krawallig, was nahelegt, dass er auf einen aggressiven Wahlkampf gegen Malu Dreyer verzichten wird. Die Klöckner-Klaviatur in sozialen Netzwerken beherrscht Baldauf wiederum nicht. Bei Facebook, Instagram, Twitter und Youtube muss er gewaltig nachlegen, um bekannter zu werden.

Inhaltlich wandelt sich die Politik von Baldauf bereits. Der als konservativ geltende Pfälzer fischt immer häufiger in grünen Gewässern. Bereits vor der Europawahl arbeitete er an einer Impulsgruppe Arbeit und Landwirtschaft. Im Volksfreund-Interview sagte er jüngst: „Klima-, Umwelt- und Artenschutz gehören ganz oben hin auf die Agenda. Die CDU ist hier in der Vergangenheit allzu sprachlos geblieben.“ Früh sprach er sich auch dafür aus, die Fridays-for-Future-Bewegung ernst zu nehmen. Beobachter wähnen die CDU schon auf dem Weg zu einer schwarz-grünen Koalition.

Antreiben dürfte die Union dabei auch das abgekühlte Verhältnis zur rheinland-pfälzischen FDP, die sich unter Landeschef Volker Wissing bei der SPD geborgener fühlt. Für Baldauf ist das ein Problem, weil er 2021 nicht nur eine starke Union, sondern auch Bündnispartner für eine Koalition braucht: In Nordrhein-Westfalen gewann mit Armin Laschet ein CDU-Mann auch deswegen gegen die profilierte SPD-Regierungschefin Hannelore Kraft, weil er mit Christian Lindner einen starken FDP-Flügel an der eigenen Seite wusste. Gleichzeitig sind parteiinterne Vergleiche des in der Öffentlichkeit unbekannten Baldaufs zu CDU-Wahlsiegern wie Laschet und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) nicht an den Haaren herbei gezogen. Die rheinland-pfälzische CDU hofft auf den schwachen Bundestrend der SPD, der auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer nicht verschonen dürfte. Und sie setzen darauf, dass die Sozialdemokraten den Spitzenkandidaten der CDU unterschätzen, wo sie sich von der polarisierenden Julia Klöckner 2016 noch angestachelt fühlten. Tatsächlich lächelte mancher SPD-Landespolitiker in Mainz in jüngster Zeit milde, wenn die Rede auf Baldauf als möglichen Spitzenkandidaten kam.

Erst einmal muss sich Baldauf aber in den eigenen Reihen behaupten. Ein Nominierungsparteitag muss ihn noch bestätigen. Auch Marlon Bröhr, Landrat vom Rhein-Hunsrück-Kreis, werden Ambitionen auf eine Spitzenkandidatur nachgesagt. Jetzt, wo die CDU sich hinter Baldauf stellt, gilt eine Kandidatur aber als aussichtslos.

Eine Gemeinsamkeit haben beide Männer immerhin. Sie können beide singen. Auch Bröhr postete bereits ein Facebook-Video, wo er auf der Bühne rockte. Der Landrat setzte aber nicht auf „Lewwerworscht“ – sondern auf „Oh Mandy“ von Barry Manilow.

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