CDU-Vize Klöckner lehnt im Volksfreund-Interview aber reflexartige Rufe nach schärferen Sicherheitsgesetzen ab

Die CDU-Vorstandsklausur am Wochenende in Hamburg stand ganz unter dem Eindruck der blutigen Terrorwelle in Frankreich (siehe Seite 2). Die stellvertretende Parteivorsitzende und CDU-Landeschefin Julia Klöckner warnt indes im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter vor reflexartigen Forderungen nach verschärften Sicherheitsgesetzen auch in Deutschland.

Frau Klöckner, auch in Hamburg wurde jetzt eine Zeitung attackiert. Droht die Terrorwelle auf Deutschland überzuschwappen?
Julia Klöckner: Der Brandanschlag auf die Hamburger Morgenpost ist noch nicht aufgeklärt. Deshalb kann ich Ihre Frage auch nicht pauschal beantworten. Auch wenn die Sicherheitslage so ernst ist wie lange nicht mehr: Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt. Nach den Anschlägen wurden auch bei uns die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

Brauchen wir neue Sicherheitsgesetze?
Klöckner: Nach terroristischen Untaten reflexartig verschärfte Sicherheitsgesetze einzufordern, halte ich für nicht richtig. Bestehendes muss angewandt, Verabredetes umgesetzt werden. Wir wollen keinen Export an Kämpfern aus Deutschland. Deshalb muss der Justizminister wie vereinbart seinen Gesetzentwurf vorlegen. Die Aus- und die Einreise gewaltbereiter und kampferprobter Dschihadisten muss verhindert werden, damit sie keine Anschläge verüben.

In der CDU wird über ein Zuwanderungsgesetz gestritten. Wie denken Sie darüber?
Klöckner: Wir sind uns in der CDU einig, dass wir darauf achten, wer zu uns kommt. Ob das über ein Zuwanderungsgesetz geregelt wird oder durch Ergänzungen im Arbeitsrecht, ist zweitrangig. Deutschland muss gezielt anwerben können, um Lücken bei Fachkräften und in bestimmten Branchen zu schließen. Es gibt bereits viele Möglichkeiten. Dies ist allerdings unabhängig von der Flüchtlingsfrage. Hier geht es nicht zuerst um Qualifikation, sondern um Hilfe in Not.

Können solche Maßnahmen der Pegida-Bewegung das Wasser abgraben?
Klöckner: Bei Pegida sammeln sich Unterschiedliche, nicht nur Extremisten und Rassisten. Ihre Sorgen müssen wir uns anhören. Ich hoffe, wenn die Abende wieder heller werden, dass viele dann auch bei Licht betrachtet sehen, neben wem sie da gelaufen sind. Es gibt so viele Beispiele gelungener Integration und Hilfe durch Zuwanderung. Nehmen Sie nur unsere Krankenhäuser. Viele von ihnen könnten gar nicht mehr funktionieren, wenn unter dem Personal keine Migranten wären. Wo allerdings unter dem Deckmantel der Toleranz zur Intoleranz aufgerufen wird, muss man dagegen kämpfen.

Die Pegida-Organisatoren haben die Anerkennung als gemeinnütziger Verein beantragt. Besorgt Sie das?
Klöckner: Es gibt klare Regeln, wann ein Verein gemeinnützig ist und damit auch steuerliche Vergünstigungen erhält. Das muss juristisch geprüft werden. Eine Demokratie muss aber unterschiedliche Sichtweisen aushalten - bis hin zu pauschalen Vorurteilen. Mit besseren Argumenten muss man dagegenhalten.

Die SPD hat alle demokratischen Parteien zu einer Großkundgebung gegen Terror und Gewalt eingeladen. Wird die CDU daran teilnehmen?
Klöckner: Es mangelt sicher nicht an Solidaritätsbekundungen mit Frankreich. Angela Merkel war gerade dort. An diesem Montag gibt es eine Mahnwache am Brandenburger Tor, ebenfalls mit Teilnahme der Bundeskanzlerin. Die Frage ist, ob die Vorgehensweise der SPD so klug war. Normalerweise redet man erst einmal miteinander, bevor man etwas der Presse verkündet. Ich halte jedenfalls nichts von Kundgebungswettbewerben. Sicher wird die Union an einer Großdemo in Berlin teilnehmen, wenn zum Beispiel der Bundespräsident für alle spricht. vet

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