Chancengleichheit kostet Geld
Mainz · Die Kosten für das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern dürften vom Land nicht auf die Kommunen abgewälzt werden, fordert die CDU im Landtag. "Sie lassen völlig außer acht, wer welche Aufgaben hat", hält Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) dem entgegen.
Mainz. Inklusion, abgeleitet vom lateinischen Verb includere (beinhalten, einschließen), ist seit der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 zu einem politischen Schlüsselwort geworden. Menschen mit Behinderungen an allen Bereichen teilhaben zu lassen stellt eine gesellschaftliche Verpflichtung für Bund, Länder und Kommunen dar. Es ist eine Herkulesaufgabe.
Im Oktober 2013 hat das Bildungsministerium im Landtag einen Gesetzentwurf eingebracht, wie die Inklusion im schulischen Alltag ablaufen soll. Wichtigster Punkt: Eltern sollen frei wählen können, ob sie ihr beeinträchtigtes Kind zu einer speziellen Förderschule oder zu einer Schwerpunktschule - also einer Regelschule, an der zusätzliche sonderpädagogische Lehrkräfte im Einsatz sind - schicken. Nach einer Anhörung, unter anderem der kommunalen Spitzenverbände, geht der Gesetzesentwurf nächste Woche ins Kabinett und kommt dann wieder zur Beratung in den Landtag.
Die CDU-Opposition mahnt zu einer "fairen Partnerschaft zwischen Land und Kommunen", wie es der Konzer Abgeordnete Bernd Henter ausdrückt. Die Schwerpunktschulen müssten so ausgestattet werden, dass sie den individuellen Bedarf der Kinder erfüllen könnten. Dazu seien Investitionen in Fach-, Therapie- und Rückzugsräume sowie für Personal erforderlich. "Das Land ist gefordert, die Kosten im Gesetz zu regeln und nicht durch die Hintertür auf die Kommunen abzuwälzen", sagt Henter.
Explizit nennt Henter die Kosten für Integrationshelfer. Diese sind für Begleitung und Unterstützung sowie pflegerische und medizinische Hilfe zuständig.
Bettina Brück (SPD) aus Thalfang wundert sich über Henters Beitrag. Der Gesetzentwurf sei noch gar nicht im parlamentarischen Verfahren. "Jeder muss seinen Beitrag leisten, Bund, Land und Kommunen", sagt Brück. Es sei klar geregelt, dass die Schulträger, also Kreise und kreisfreie Städte, für Gebäude- und Sachmittel und das Land für das pädagogische Personal zuständig seien. "Ich finde es bedenklich, dass Inklusion als Kostenfaktor heruntergespielt wird", kritisiert die SPD-Politikerin.
Fred Konrad von den Grünen bezeichnet es als "Mär, dass die Kommunen vom Land einseitig belastet werden". Über die Kinder- und Jugendhilfe sei für alle Kommunen eindeutig geregelt, wie Kinder gefördert würden.
Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) betont, das Land müsse die Kosten für pädagogisches Personal stemmen und habe schon sehr viel investiert. Integrationshelfer zählten aber nicht zum pädagogischen Personal. "Ich kenne kein Bundesland, das diese Kosten übernimmt." Mit den kommunalen Spitzenverbänden sei vereinbart worden, in einem Pilotprojekt zu beleuchten, wie der Einsatz von Integrationshelfern optimiert und Kosten reduziert werden könnten.
Die Union gibt sich damit nicht zufrieden. "Ich kenne keine Förderschule im Land, die gut ausgestattet wäre", kritisiert Bettina Dickes. "Sie bestellen, andere können aber nicht zahlen."Extra
Der Landtag hat erneut über die Gefahren durch das französische Kernkraftwerk Cattenom diskutiert. SPD, Grüne und CDU wiederholten ihre Forderungen, den Reaktor abzuschalten. Während Stefanie Nabinger (Grüne) eine von EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) betriebene "Renaissance der Atomkraft" monierte, verlangte Unionspolitiker Arnold Schmitt von Ministerpräsidentin Malu Dreyer mehr Einsatz. Sie solle als Präsidentin der Großregion "laut und deutlich ihre Stimme erheben". Dreyer wies die Kritik entrüstet zurück: "Es hat noch nie eine Sekunde gegeben, wo ich nicht klar meine Meinung gesagt hätte." Für großes Gelächter bei Rot-Grün sorgte CDU-Mann Bernd Henter mit der Aussage: "Kanzlerin Angela Merkel hat den Atomausstieg beschlossen. Das ist eine historische Wahrheit."fcg