Archiv 2018 Der Cyber-Bunker, die Bundeswehr und dicke BMW

Traben-Trarbach/Berlin · Bundeswehrmitarbeiter hatten drei Monate Zeit, mutmaßlichen Kriminellen zu zeigen, wie die Bunkertechnik funktioniert. Warnhinweise gab es viele.

 Polizisten sichern das Gelände eines ehemaligen Bundeswehr-Bunkers. Dort wurde ein Rechenzentrum für illegale Geschäfte im Darknet ausgehoben.

Polizisten sichern das Gelände eines ehemaligen Bundeswehr-Bunkers. Dort wurde ein Rechenzentrum für illegale Geschäfte im Darknet ausgehoben.

Foto: Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz

Der Fall des Traben-Trarbacher Cyber-Bunkers, über dessen Server jahrelang Drogengeschäfte, Waffenverkäufe  und allerlei andere düstere Deals gemacht wurden, wirft weiter viele Fragen auf. Unter anderem die Frage, inwieweit Bundesbehörden oder die Streitkräfte die mutmaßlichen Täter noch dabei unterstützten, das ehemalige Datenzentrum der Bundeswehr in Betrieb zu nehmen – obwohl der zwielichtige Hintergrund des Hauptverdächtigen Herman-Johan X. bekannt war.

Im Exposé, mit dem der Bund das Objekt Käufern 2012 schmackhaft machen wollte, wurde – was bei militärischen Liegenschaften wegen der Geheimhaltungspflicht unüblich ist – sogar „eine befristete Mitbenutzung von Teilbereichen der Liegenschaft in Erwägung gezogen.“ Waren die Bundeswehr und die mutmaßlichen Cyberkriminellen also noch gleichzeitig auf dem 13 Hektar großen Gelände?

Die Antwort eines Sprechers des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr zeigt: Ja, das waren sie – auch, wenn die Bundeswehr sich aus dem Bunker bereits zurückgezogen hatte. „Dem Käufer wurde in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Rückgabe der Anlage an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ermöglicht, die für den Gebäudebetrieb erforderlichen komplexen technischen Voraussetzungen kennen zu lernen.“

Mitarbeiter des zuständigen Bundeswehr-Dienstleistungszentrums hätten dem Käufer erklärt, wie die Lüftungssysteme, Generatoren und Wasser-Hebeanlagen funktionieren.Der Schutzbau sei zu diesem Zeitpunkt – also im letzten Quartal des Jahres 2012 – allerdings nicht mehr militärisch genutzt worden – und die Bundeswehr habe den Bunker auch nicht gemeinsam mit dem Käufer genutzt. Eine Einweisung in „fernmeldetechnische Komponenten“ habe es nicht gegeben.

Das Verteidigungsministerium, das ebenfalls in die ganze Angelegenheit involviert war – der damalige Staatssekretär Thomas Kossendey hatte 2012 die Unterstützung  seines Hauses bei einer lückenlosen Übergabe an neue Betreiber zugesagt – will sich zu alledem nicht äußern und verweist an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die für den Verkauf des Bunkers verantwortlich war.

Diese war in den vergangenen Wochen in Erklärungsnöte geraten. Hatte das Landeskriminalamt der Behörde doch am 17. Juni 2013 – also acht Tage vor dem Verkauf – mitgeteilt: Konkrete Anhaltspunkte zur Einleitung eines Strafverfahrens gebe es nicht – es sei jedoch nicht auszuschließen, dass der Käufer den Standort für ein Rechenzentrum zur „Begehung und Unterstützung von Straftaten im Internet“ nutzen könnte (der TV berichtete).

Hinweise darauf, dass es sich bei X. um einen dubiosen Geschäftsmann handeln könnte, gab es reichlich. So hatte X. in den Niederlanden unter anderem deswegen für Schlagzeilen gesorgt, weil Feuerwehrleute in seinem Bunker bei Goes in Zeeland 2002 beim Löschen eines Brandes ein Drogenlabor gefunden hatten. Der TV berichtete 2013, als der Traben-Trarbacher Schutzbau den Besitzer wechselte, zudem, dass X. Firma CyberBunker nach eigenen Angaben jede Art von Kundengeschäft akzeptiere außer Kinderpornografie und Terrorismus. Auch mit Hackerangriffen wurde die Firma damals bereits in Verbindung gebracht. Schon ein Blick auf die Webseite cyberbunker.com hätte allerlei Alarmglocken klingeln lassen können. Inzwischen wurde dieser Server zwar vom Landeskriminalamt beschlagnahmt. Doch sind alte Versionen der Webseite immer noch über Internetarchive abrufbar.

Unter anderem war dort zu lesen, dass das „gigantische geheime Datenzentrum“ in den schönen Wäldern der Eifel einzigartig sei, weil es anfangs komplett von Freiwilligen betrieben werden solle. Jeder Freiwillige erhalte ein eigenes Büro, sein eigenes Schlafzimmer mit Wifi („sehr nette Bandbreite“), Essen und Trinken (kein Alkohol), ein einzigartiges Erlebnis und die Chance auf einen festen Job – und wer den ergattert, bekomme einen BMW X6 zur freien Nutzung. Gebraucht würden Menschen für die Installation der Server, für Aufbau und Unterhaltung des Netzwerkes sowie die Instandhaltung des Bunkers, aber auch für Küche und Garten. Der Bunker biete Interessenten auch die Möglichkeit, eigene Projekte umzusetzen: „die Möglichkeiten sind grenzenlos“, war noch bis 2019 auf der Internetseite zu lesen. Nach den bis zu 100 Arbeitsplätzen, die X. der Gemeinde Traben-Trarbach versprochen hatte, klingt das nicht.

Wenig vertrauenerweckend wirken auch die Hinweise, dass Bargeld jederzeit am Bunkertor abgegeben werden könne, dass CyberBunker sich nicht darum kümmere, welche Art von Geschäften Kunden machten, oder dass es im Netz keine Kundenbeschwerden über CyberBunker gebe, sondern nur Beschwerden über CyberBunkers Kunden. „Was sollen wir dazu sagen?“, heißt es in den häufig gestellten Fragen unter der Rubrik: „Kann ich CyberBunker vertrauen?“

Wie wenig vertrauenswürdig die Angaben sind, zeigt die Tatsache, dass das Unternehmen auf der Webseite bis zuletzt mitteilte, das Datenzentrum befinde sich in einem Nato-Bunker bei Goes in Zeeland. Berichten der lokalen Presse zufolge verkaufte Cyberbunker den Schutzbau allerdings bereits 2011 an das Unternehmen Data Protectors, das 2015 Insolvenz anmeldete. Inzwischen bewahrt die Firma Obe One dort sensible Daten, die hinter den meterdicken Betonwänden selbst vor Atomangriffen geschützt sein sollen, während die Polizei in Deutschland weiter damit beschäftigt ist, die Daten auf den in Traben-Trarbach beschlagnahmten Servern auszuwerten.

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