Das ständige Drehen an der Steuerschraube

Trier · Aus Sicht der Steuerzahler war 2015 bislang ein gutes Jahr. Nur wenige Kommunen in Rheinland-Pfalz haben ihre Sätze für Gewerbe- und Grundsteuern erhöht. Dafür haben sie in den vergangenen Jahren ordentlich zugelangt.

Trier. Gummibärchenproduzent Haribo will seinen Firmensitz von Bonn in Nordrhein-Westfalen über die Landesgrenze ins 30 Kilometer entfernte Grafschaft im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz verlagern. Vor allem, weil das Unternehmen dort weniger Gewerbesteuer zahlen muss als an seinem bisherigen Stammsitz. Mit einem Hebesatz von 330 Prozent gehört Grafschaft zu den Gemeinden im Land mit den geringsten Gewerbesteuern - und liegt damit deutlich unter Mainz (440 Prozent), Trier (420), Koblenz (410), Wittlich (380) oder Bitburg (365). Das zeigt: Die Höhe der Gewerbesteuer kann durchaus ein Standortfaktor sein.
Doch den Kommunen sind die Hände gebunden. Das Land gibt vor, wie hoch die sogenannten Hebesätze für die Kommunalsteuern (neben der Gewerbesteuer sind das die Grundsteuern A und B) sein müssen. Liegt der jeweilige Hebesatz unter dem sogenannten Nivellierungssatz des Landes, riskiert die Kommune, weniger Zuweisungen vom Land zu erhalten. In Rheinland-Pfalz liegt der Nivellierungssatz für die Gewerbesteuer bei 365 Prozent, für die Grundsteuer A bei 300 Prozent und für die Grundsteuer B bei 365 Prozent. Der Steuerzahlerbund Rheinland-Pfalz warnt vor einer Erhöhung der Nivellierungssätze durch das Land, "damit die Bürger nicht erneut Opfer einer Welle kommunaler Steuererhöhungen werden", so René Quante, Geschäftsführer des Verbandes. Er hat die Veränderungen der Gewerbe- und Grundsteuern von 45 Kommunen im Land ausgewertet. Das Ergebnis liegt unserer Zeitung vor. Demnach haben fast alle Städte und Gemeinden in den vergangenen fünf Jahren an der Steuerschraube gedreht - und das zum Teil sehr deutlich. So haben Trier und Wittlich die Gewerbesteuer um 30 beziehungsweise 28 Prozentpunkte erhöht. Bitburg und Wittlich haben bei der Grundsteuer A kräftig zugelangt und um 120 und 85 Prozentpunkte erhöht. Auch bei der Grundsteuer B haben sie die Hebesätze um 70 (Bitburg) und 63 (Wittlich) Prozentpunkte nach oben geschraubt. Seit 2010 habe nur eine einzige der 45 untersuchten Städte und Gemeinden ihre Hebesätze unverändert gelassen, nämlich Ingelheim am Rhein, sagt Quante. 98 Prozent der untersuchten Kommunen hätten ihre Steuern erhöht.
Im Schnitt sei die Grundsteuer A um 37 auf durchschnittlich 315 Prozent, die Grundsteuer B um 47 auf 385 Prozent und die Gewerbesteuer um 17 Prozentpunkte auf 387 Prozent angehoben worden. Die geringe Steigerung bei der Gewerbesteuer zeige deutlich, dass die Kommunen dabei "weit zurückhaltender agieren als bei der Grundsteuer", kritisiert Quante. Vor allem die zum Teil drastische Erhöhung der Grundsteuer B führe zu einer erheblichen Belastung der Bürger.
"Die Politik beklagt gerne, dass bezahlbarer Wohnraum knapp sei. Deswegen wurde auch eine Mietpreisbremse eingeführt", so Quante. Es sei ein Treppenwitz, dass die Politik Vermieter zur Zurückhaltung verpflichte, aber selbst durch Erhöhungen der Grundsteuer B bei den Mietern ungeniert zulange. "Deswegen brauchen wir eine Grundsteuerbremse, die das Drehen am Hebesatz einschränkt."
In diesem Jahr haben laut Quante 13 der vom Steuerzahlerbund unter die Lupe genommenen Kommunen ihre Hebesätze erhöht. Trier, Wittlich, Konz, Bitburg und Morbach gehören zu den 32 Städten und Gemeinden, die auf eine Erhöhung verzichtet haben.Extra

Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. Sie besteuert Gewerbebetriebe nach deren Ertrag. Die Gewerbesteuer geht zurück auf eine Steuergesetzgebung aus dem Jahr 1936. Die Festsetzung der Steuer erfolgt durch das jeweilige Finanzamt. Die Kommunen legen mit dem sogenannten Hebesatz fest, wie hoch der Steuersatz ist. Der Hebesatz muss laut Gesetz mindestens 200 Prozent betragen. Unter den vom Steuerzahlerbund untersuchten Kommunen liegt der Gewerbesteuer-Hebesatz im Schnitt bei 387 Prozent. In Großstädten liegt der Hebesatz deutlich höher. In Duisburg und München beträgt er zum Beispiel 490, in Essen 480 und in Köln 475 Prozent. wieExtra

Die Grundsteuer A bezieht sich auf Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft. Derzeit liegt der durchschnittliche Hebesatz für die Grundsteuer A bei 315 Prozent - 2014 waren es laut rheinland-pfälzischem Steuerzahlerbund noch 308 Prozent gewesen. Bemessungsgrundlage ist zumeist der Wert des Grundstücks. Die Grundsteuer B ist fällig für alle bebaubaren und bebauten Grundstücke. Damit müssen alle Hausbesitzer diese Steuer zahlen. Mieter werden über die Nebenkosten an der Grundsteuer beteiligt. Der durchschnittliche Hebesatz für die Grundsteuer B liegt laut Steuerzahlerbund bei 385 Prozent, gegenüber 376 Prozent im Jahr 2014. Die Hebesätze der Kommunen reichten von 80 bis 480 Prozent, wie aus der Erhebung des Verbandes hervorgeht. wie

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