Sportpolitik „Das wäre der Tod vieler Vereine“

Trier/Mainz/Bremen · Sollen Fußballvereine bei Polizeieinsätzen zahlen? Das Vorpreschen findet nicht nur Lob.

 Wenn Kaiserslautern auf den Karlsruher SC trifft – so wie auf dem Bild im Jahr 2014 – kommt es oft zu Ausschreitungen von Fans. Im Land zweifelt Minister Lewentz an, ob dafür alleine der Staat in die Tasche greifen muss.

Wenn Kaiserslautern auf den Karlsruher SC trifft – so wie auf dem Bild im Jahr 2014 – kommt es oft zu Ausschreitungen von Fans. Im Land zweifelt Minister Lewentz an, ob dafür alleine der Staat in die Tasche greifen muss.

Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

Die Vulkaneifel hat Ulrich Mäurer in guter Erinnerung behalten. Der 66-Jährige wuchs zwischen den Maaren auf, baute in Daun sein Abitur. „Eine schöne Landschaft, doch von Profifußball keine Spur“, scherzt er. Und doch hält Mäurer den deutschen Fußball momentan mächtig auf Trab. Er ist Innensenator in Bremen, der Stadt, die im rechtlichen Clinch mit der Deutschen Fußballliga (DFL) liegt, weil sie den Sport an Polizeieinsätzen bei gefährlichen Spielen zur Kasse bitten will. Es ist ein Wunsch, der die Lager spaltet.

Die Politik: Spielt Mainz 05 gegen Eintracht Frankfurt, ist das ein so genanntes Hochrisikospiel. Die Polizei muss dann im schlimmsten Fall mit schweren Ausschreitungen rechnen – und rückt mit mehr Kräften an als gewohnt. Auf mehr als 400 000 Euro beziffern der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz und Mäurer die Mehrkosten solcher Spiele. Beide Politiker setzen sich für einen Fonds ein, in den die DFL einzahlen soll. Lewentz kann sich – wie in Bremen – auch ein Landesgesetz vorstellen, das die Beteiligung des Sports an Hochrisikospielen regelt. Er verweist auf die DFL-Umsätze, die jüngst erst die Vier-Milliarden-Euro-Marke geknackt hätten. „Wenn wir die Akzeptanz des Profifußballs erhalten wollen, können wir die Lasten des Systems nicht dem Steuerzahler aufdrücken“, findet Lewentz. Mäurer schimpft: „Die DFL meint, wir sind König Fußball und zahlen keinen Cent.“ Doch das Donnerwetter findet nicht überall Anklang. „Wenn wir anfangen, Rechnungen zu schreiben, fällt auch die Abgrenzungen zu anderen kommerziellen Großveranstaltungen schwer“, warnt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU).


Der Fan: Thomas Metzger fürchtet, dass ein Gesetz auch kleinere Vereine treffen könnte. Wie Eintracht Trier, wo er Fanbeauftragter ist. „Es wäre ein großes Problem, Vereine zu schröpfen, die gar nicht nicht das nötige Geld haben wie die millionenschweren Bundesligisten“, sagt er. Würde Rheinland-Pfalz ein Gesetz wie in Bremen auflegen, fiele auch Eintracht Trier unter die Schranke, wenn es ein Risikospiel vor 5000 Zuschauern hätte. Selbst, wenn der Verein davon zuletzt in der Oberliga meilenweit entfernt war: in besseren Zeiten könnte das in Derbys wie gegen Saarbrücken zum Problem werden. „Das wäre der Tod vieler Traditionsvereine, weil Kosten auf Vereine abgewälzt werden und von dort auf die Eintrittspreise“, mutmaßt Metzger, der die Polizei eher auffordert, ihr Aufgebot bei Spielen kritisch unter die Lupe zu nehmen. Als Beispiel nennt er das jüngste Risikospiel in Trier, 2017 im Pokal beim 0:3 gegen Koblenz, wo nicht mal 900 Zuschauer ins Stadion strömten. „In der Oberliga erleben wir es häufiger, dass wir bei Spielen von Hundertschaften empfangen werden, aber nur wenig Zuschauer kommen“, schüttelt Metzger verständnislos den Kopf.

Die Polizei: Die Polizeigewerkschaften sehen dagegen eine steigende Belastung. Die Zahlen geben ihnen recht: Bundesweit leisteten Polizisten in der Saison 2016/17 in den ersten drei Fußballligen 2,2 Millionen Arbeitsstunden, wo es im Jahr zuvor noch 2,08 Millionen waren. Die personellen Kosten lagen bundesweit bei 112 Millionen Euro. Nicht immer gehen die Einsätze glimpflich aus. Beim Pokalspiel zwischen Trier und Koblenz erlitt ein Beamter ein Knalltrauma, weil Pyrotechnik explodierte, teilt die Polizei mit. Ulrich Mäurer tadelt: „Wer um 0 Uhr die Uniform auszieht, hat morgens wieder Dienst. Das ist gigantischer Aufwand, hohe Belastung, viele Überstunden.“

Die Vereine: Die DFL sträubt sich dagegen, in die Kasse zu greifen. Präsident Reinhard Rauball sagte vor Wochen, die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit sei Kernaufgabe des Staates. Stefan Hofmann, Vorsitzender von Fußball-Bundesligist Mainz 05, widerspricht der Wahrnehmung, die Vereine seien Nutznießer der öffentlichen Hand. Mainz 05 habe alleine im vergangenen Geschäftsjahr 13,5 Millionen Euro an direkten Steuern gezahlt, dazu kämen personenbezogene Abgaben der 1067 Beschäftigten in Höhe von 21,8 Millionen Euro. Der 1. FC Kaiserslautern verweist auf 300 Sicherheitskräfte, die der Verein bei jedem Heimspiel im Einsatz hätte. Die Debatte um die Kostenbeteiligung verfolgt aber auch der FCK-Vorstandsvorsitzende Michael Klatt. Denn: Steigen die Roten Teufel in die 3. Liga ab, haben sie mit möglichen Derbys gegen Saarbrücken, Karlsruhe oder Mannheim etliche Risikospiele. Könnte der Verein dafür zahlen? „Bezüglich der Kosten müsste sich der FCK überlegen, wie er diese refinanzieren könnte“, sagt Klatt.

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