Dem Handwerk bricht der Boden weg

TRIER. "Handwerk hat goldenen Boden." Mit diesem schönen Spruch hat die Realität im Arbeitsleben nicht mehr viel zu tun. Erfahrungen einer kleinen Kraftfahrzeug-Werkstatt.

Die kleine Autowerkstatt hat Glück. Neben dem Leiter, der Büroleiterin und einem Helfer beschäftigt sie auch einen Gesellen. Das sei nicht überall in der Kraftfahrzeug-Branche so, sagt die Büroleiterin. Gerade kleine Werkstätten suchten händeringend nach Facharbeitern – trotz der hohen Arbeitslosigkeit. "In den letzten zehn Jahren ist es ganz schlimm geworden." Und dann schnürt die Büroleiterin, die ebenso wenig wie ihre Werkstatt namentlich genannt werden will, ein ganzes Paket von Missständen auf. Das beginne schon bei den Praktikanten, die von den Hauptschulen geschickt würden. Bei acht von zehn seien Qualifikation und Motivation katastrophal. "Manche erscheinen widerwillig, bringen die Bierdosen mit, kümmern sich um nichts, geben den Angestellten freche Antworten und erklären am frühen Nachmittag, dass sie keine Lust mehr haben." Von schlimmen Fällen wie Ersatzteil-Diebstahl ganz zu schweigen. Dass die Ansprüche der jungen Leute steigen und ihre Fähigkeit zur Stetigkeit, zur Konzentration und zur eigenständigen Problemlösung sinkt, bestätigen übrigens auch Hauptschullehrer. Und das alles vor dem Hintergrund steigender Qualifikationsanforderungen. In der Autowerkstatt ist der Schraubenschlüssel längst nicht mehr das wichtigste Werkzeug. Und in den meisten Autos ist der Computer schon lange eine Selbstverständlichkeit. Wie bei Praktikanten hapert es auch bei den Azubis. Die Werkstatt beklagt Probleme mit der Zulassung durch die zuständige Kammer, die dem Werkstattleiter – einem Diplomingenieur mit 30-jähriger Berufserfahrung – erst nach langem Hin und Her eine Ausnahmegenehmigung erteilte, weil er keinen Meisterbrief hat. Das gehe weiter mit den hohen Kosten für die externen Kurse der Ausbildung, die den Arbeitgeber an die 4000 Euro kosteten – zusätzlich zum Azubi-Gehalt, versteht sich. Und wenn die Ausbildung vorbei sei, fingen für viele die Schwierigkeiten erst richtig an. Die "Ware Handwerk" werde einfach nicht mehr honoriert, sagt die Büroleiterin. Mit einem Einkommen von 1300 Euro netto wird für den jungen Gesellen der Unterhalt einer Familie zum Problem. Und der Konkurrenzdruck durch die Autoteile-Märkte zwingt die kleinen Werkstätten zur Sparsamkeit auch bei den Löhnen. Mehr als die rund 13 Euro Stundenlohn brutto sei bei ihnen "einfach nicht drin". Das veranlasst Gesellen im Kraftfahrzeug-Handwerk zur kostenträchtigen Meister-Ausbildung mit vielleicht höherem Einkommen. Oder zum Umstieg in andere, lukrativere Sparten. Gesellen bleiben sie jedenfalls so oder so nicht. Was einmal die Basis war, wird zur Durchgangsstation

Die klassische Laufbahn vom Schulabschluss über die Lehre zum Gesellen, der dann lebenslang für gute Arbeit auch gutes Geld verdienen konnte, gibt es kaum noch. So, wie dem Schulsystem die alte Volksschule abhanden kam und die Hauptschule zur Restschule verkümmerte, so bricht auch Handwerksberufen die solide Grundlage weg. Was einmal die Basis war, wandelt sich zur Durchgangsstation, in der nur noch ein paar Hartnäckige bis zur Rente ausharren – und natürlich die Müden und Trägen, die es überall gibt. Mit denen allein allerdings kann das Handwerk keinen Staat machen.

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