"Den Pächtern flattern die Nerven"

Mainz · Im Streit zwischen dem Land und den privaten Betreibern des Nürburgrings, die trotz Kündigung des Pachtvertrages an der Rennstrecke bleiben wollen, lassen deren Drohungen und Lockungen Innenminister Roger Lewentz kalt.

Mainz. Im November 2011 ein Mahnbescheid wegen ausgebliebener Pachtzahlungen, Anfang Februar die Vertragskündigung, als Nächstes eine Räumungsklage: Das Land setzt seinen harten Kurs gegenüber den Ring-Managern Jörg Lindner und Kai Richter unbeirrt fort. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagt im Interview mit TV-Redakteur Frank Giarra aber auch, die Tür für eine einvernehmliche Trennungslösung stehe weiter offen.

Herr Lewentz, Sie handeln gegen die Ring-Pächter, und Ministerpräsident Kurt Beck bietet Gespräche an. Spielen Sie das Spiel böser Bube, guter Junge?
Roger Lewentz: Überhaupt nicht. Auch ich habe von Anfang an gesagt, dass ich an einer gütlichen Einigung interessiert bin. Das wäre der schnellere Weg. Parallel setzen wir unsere Maßnahmen zur Trennung fort.

Die Pächter behaupten, sie hätten ein Schiedsverfahren angeboten, das Land sei aber nicht darauf eingegangen.
Lewentz: Ein solches Angebot der NAG an uns gab es nie. Ganz im Gegenteil: Wir haben etliche persönliche Gespräche geführt, auch telefonisch, und Angebote gemacht, die unbeachtet geblieben sind.

Die Pächter wollen das Land auf Schadenersatz über 25,9 Millionen Euro verklagen. Wie bewerten Sie das?
Lewentz: Dass man nach der Kündigung Gegenmaßnahmen androht, war zu erwarten. Die Summe kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Jörg Lindner und Kai Richter sagen, sie hätten einen Geldgeber gefunden, der 140 Millionen Euro am Ring investieren wolle.
Lewentz: Von einem solchen Investor wissen wir nichts. Es ist uns nichts vorgelegt worden. Ich registriere, dass vermeintliche andere Interessenten, die von der Nürburgring Automotive (NAG) ins Spiel gebracht wurden, offenbar eher abwiegeln.

Sieht es nicht so aus, als machten die Betreiber trotz der Kündigung am Ring, was sie wollen?
Lewentz: Wenn es einen Investor gäbe und Umbauten erforderlich wären, gäbe es dazu keine Chance ohne Zustimmung des Verpächters. Das galt schon vor der Kündigung. Mir scheinen solche Hinweise eher darauf hinzudeuten, dass den Pächtern die Nerven flattern.

Wesentlicher Streitpunkt ist die Spielbankabgabe des Landes. Die Pächter beharren darauf, dass ihnen 3,2 Millionen Euro jährlich zustehen. Wie sicher sind Sie vor diesem Hintergrund, dass Ihre Kündigungsgründe gerichtlich Bestand hätten?
Lewentz: Ich habe hier dieselbe Ansicht, die die Verantwortlichen vor mir vertreten haben. Der ehemalige Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH, Jochen Langen, die Experten in unseren Ministerien, die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young und der Landesrechnungshof sind der Ansicht, dass der Pächter keinen Anspruch auf Zahlung der Spielbankenabgabe hat.

Hat das Land nicht selbst der EU-Kommission gemeldet, dass die Spielbankabgabe Bestandteil des Pachtvertrages ist?
Lewentz: Der EU-Kommission ist der Pachtvertrag vorgelegt worden, und sie wurde über die Spielbankabgabe informiert. Es konnte aber nicht gesagt werden, wem sie zusteht. Dieser Punkt ist ja gerade mit dem Pächter streitig.

Wie bewerten Sie kritische Berichte in den Medien über Kai Richter, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt, und zuletzt auch über Jörg Lindner?
Lewentz: Dazu möchte ich mich nicht äußern. Dass wir mit ihnen nicht zufrieden sind, ergibt sich aus der Begründung für die Kündigung des Pachtvertrages.

Was meinen Sie konkret?
Lewentz: Die vereinbarten Pachtzahlungen von fünf Millionen Euro sind nicht geflossen, sondern nur nachträglich 71 000 Euro. Mit den Gebäuden wurde offenkundig nicht sachgemäß umgegangen, Stichwort Schimmel. Und die Verankerung in der Region ist mangelhaft.

Die Pächter sind aufgefordert worden, bis Ende Februar die Anlagen zu verlassen. Heute ist der 1. März, und sie sind noch da.
Lewentz: Wir werden konsequent weitere Schritte einleiten.

Und das heißt?
Lewentz: Wir haben bereits eine Räumungsklage eingereicht.

Der Nürburgring ist seit Jahren eine politische Baustelle, an der sich die Minister Ingolf Deubel und Hendrik Hering vergeblich versucht haben. Glauben Sie, dass Sie mehr Glück haben?
Lewentz: Für mich ist der Nürburgring eine Aufgabe, der ich mich seit dem 18. Mai vergangenen Jahres mit Vollgas widme. Ich gehe das Projekt mit Verantwortungsgefühl und Ernsthaftigkeit an, aber auch mit der entsprechenden Unaufgeregtheit und Gelassenheit.

Wie können Sie gelassen sein, wenn Sie in dem verfahren scheinenden Streit mit den Pächtern nicht einmal die Verfügungsgewalt über die Anlagen haben?
Lewentz: Wenn wir es schaffen, in die Verantwortung für den ganzen Nürburgring zu kommen, wovon ich ausgehe, trauen wir uns zu, dieses wichtige Infrastrukturprojekt in eine gute Zukunft zu führen.

Ihr Ministerium ist das größte innerhalb der Landesregierung. Die CDU kritisiert, Sie würden dabei scheitern, das alles zu stemmen.
Lewentz: In der Tat hat das Ministerium einen umfassenden Verantwortungsbereich. 42 Prozent aller parlamentarischen Anfragen an die Regierung landen bei uns. Vor Ort vernehme ich eine große Zufriedenheit mit unserer Arbeit. Ich bin froh darüber, wie gut wir das alles bislang hinbekommen haben. Wir haben uns keine Fehler geleistet. fcgExtra

Roger Lewentz (48), verheiratet, vier Kinder, ist seit dem 18. Mai 2011 Innenminister. Davor war er fünf Jahre lang als Staatssekretär in diesem Ressort tätig. Lewentz ist in der Landes-SPD, deren Generalsekretär er von 2002 bis 2006 war, bestens verdrahtet. Er ist Vorsitzender des einflussreichen Parteirates und gilt als einer der möglichen Nachfolger von Ministerpräsident Beck.fcg

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