Der Hahn und der Ministerstreit: Lemke kritisiert Lewentz

Mainz · In der rot-grünen Landesregierung hängt der Haussegen schief: Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) kritisiert Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD). Der Vorwurf: Lewentz mache mit der Suche nach Käufern für den Flughafen Hahn nicht voran.

Mainz. Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) übte gestern ungewohnt deutlich und öffentlich Kritik an Verkehrsminister Roger Lewentz (SPD). Sie warf ihm vor, die Suche nach Investoren für den Flughafen Hahn nicht schnell genug voranzutreiben. "Bislang ist das nicht so gelaufen wie gewünscht", sagte Lemke.Relativierte Kritik


Bei ihr im Ministerium hätten sich in der Vergangenheit durchaus Interessenten für den Hunsrück-Flughafen gemeldet, die dann an das zuständige Verkehrsministerium verwiesen worden seien. Dort sei das Thema letztlich nicht mit aller Kraft vorangetrieben worden.
Später hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, Lemke habe nicht den Minister kritisieren wollen, sondern die Beraterfirma.
Im Verkehrsministerium reagierte man zunächst gar nicht auf die Vorwürfe der Grünen-Ministerin. Auf Anfrage unserer Zeitung teilte Ministeriumssprecher Joachim Winkler mit, mögliche Interessenten, die Mitglieder der Landesregierung angesprochen hätten, seien in das Verfahren der Investorensuche "eingespeist" worden. Mit der Suche nach Kaufinteressenten hat das Ministerium das Wirtschaftsberatungsunternehmen KPMG beauftragt. Und zwar im Oktober vorigen Jahres. Im Rahmen dieser sogenannten Markterkundung seien 70 Interessenten angesprochen worden. Ob es bereits konkrete Ergebnisse oder echte Interessenten gibt, sagte Winkler allerdings nicht. Dass ausgerechnet die CDU die Grünen-Ministerin einmal lobt, dürfte überraschen: Lemke greife mit ihrer Kritik an Lewentz die Forderung der CDU-Landtagsfraktion nach einer Beschleunigung der Investorensuche am Hahn auf, sagt Fraktionsvize Alexander Licht. Er sieht in dem Angriff Lemkes einen Beleg für das Kompetenzgerangel in der Wirtschaftspolitik bei Rot-Grün. Es sei ein Fehler gewesen, die Wirtschaftspolitik auseinanderzureißen und die Themen Hahn und Nürburgring dem Verkehrsministerium zuzuschlagen, sagte Licht. "Der neuen grünen Wirtschaftsministerin hat man offensichtlich nicht zugetraut, die hier anstehenden Fragen zu regeln." Als im Januar Malu Dreyer (SPD) Ministerpräsidentin wurde, hatte sie zunächst den Hahn und den Nürburgring zur Chefsache gemacht.
Die FDP unterstellt Lemke, mit ihrer Attacke vor allem von ihrem eigenen Versagen in der Wirtschaftspolitik ablenken zu wollen. "Wenn Frau Lemke meint, dass es mit der Investorensuche am Hahn nicht schnell genug vorangeht, hält niemand sie davon ab, sich endlich selbst auf die Suche zu begeben", so der Landesvorsitzende Volker Wissing.
Lemke steht selbst immer wieder in der Kritik, sich nicht stark genug für die Wirtschaft im Land einzusetzen.
"Wäre ich Investor, würde ich mich nicht am Hahn einkaufen", sagt der Flughafenexperte Heiner Siegmund unserer Zeitung. Der Journalist betreibt die Internetseite Cargoforwarder, auf der er sich in erster Linie mit Frachtflughäfen beschäftigt. Der Hahn ist aus seiner Sicht nur bedingt für Privatinvestoren interessant. Er verfüge mit Ryanair nur über eine Fluggesellschaft, es fehle daher die Breite im Passagierverkehr. Außerdem liege der Hahn geografisch so abseits, dass er für andere als sogenannte Billig-Fluggesellschaften wenig attraktiv sei. Es fehlten die Möglichkeit von Verbindungsflügen und die Anbindung an den Fernverkehr der Bahn, sagt Siegmund.Vor- und Nachteile


Als großen Vorteil für den Hunsrückflughafen vor allem für den Frachtverkehr bezeichnet er den 24-Stunden-Flugbetrieb. Dieser Vorteil verpuffe aber, weil es keine klassischen Passagierfluglinien gebe, die auch kleinere Frachtstücke transportieren könnten. Das bedeute, dass die gesamte Fracht vom und zum Hahn per LKW transportiert werden müsse. Auch die hohe Schuldenlast des Hahn - der Flughafen hat im vergangenen Jahr ein Minus von 5,7 Millionen Euro gemacht (2011: 10,6 Millionen Euro) - sei kein "guter Köder, um Privatinvestoren anzulocken", sagt Siegmund. Vielleicht finde sich jemand, der den Hahn für einen Euro, aber schuldenfrei, kaufe.

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