Der heilige Nikolaus und ein EM-Match

Trier · Im Prozess um Geldautomatenaufbrüche in der Region und in Norddeutschland hat die Polizei vor dem Trierer Landgericht erneut keine eindeutigen Beweise vorlegen können, dass die vier Angeklagten die tatsächlichen Täter sind.

Trier. Es dürfte nicht allzu oft vor Gericht vorkommen, dass ein Ermittler von den Verteidigern in die Mangel genommen wird. Derart, dass er am Ende seiner fast zweistündigen Vernehmung zugeben muss, dass er keine genauen Anhaltspunkte hat. Und er auch nicht mit Sicherheit sagen kann, dass die vier auf der Anklagebank sitzenden Männer tatsächlich die mutmaßlichen Täter sind.
Genau das ist gestern im Geldautomatenknacker-Prozess vor dem Trierer Landgericht geschehen. Damit hat sich das fortgesetzt, was sich bereits am vorherigen Prozesstag angekündigt hat: Die Polizei und damit auch die Staatsanwaltschaft haben offenbar kaum stichhaltige Beweise dafür, dass die vier aus Bosnien-Herzegowina stammenden Männer vor zwei Jahren mindestens zwei Geldautomaten in der Region (in Reil und Longkamp) und zwei in Norddeutschland (in der Nähe von Bremen und in Ostfriesland) geknackt haben. Mehr als eine halbe Million Euro sollen sie erbeutet haben, wie ihnen in der Anklageschrift vorgeworfen wird.
Der gestern vor Gericht vernommene Ermittler der Kriminalinspektion Wittlich schilderte detailliert, wie die Handys der zwischen 45 und 56 Jahre alten Männer überwacht wurden.
Wie durch sogenannte stille SMS (von der Polizei gesendete Kurznachrichten auf Handys, von denen die Empfänger aber nichts mitbekommen) die Handys geortet wurden und wie man mittels eines in ein Auto der Angeklagten eingebauten Peilsenders die Fahrten überwacht hat. Aber auf frischer Tat ertappt, also beim Knacken eines Geldautomaten, hat man die Bande nicht. Lediglich bei der Festnahme der vier im nordrhein-westfälischen Dülmen im vergangenen November sind sie beim angeblichen Versuch, einen Geldautomaten zu knacken, erwischt worden.
Ansonsten fanden die Ermittler bei der Überwachung offenbar keine Hinweise darauf, dass in der Nähe der Orte, wo sie die Verdächtigen anhand Handy-Peilung vermuteten, Automaten geknackt worden sind.
Anhand von bosnisch gesprochenen und von einem Dolmetscher für die Polizei übersetzten Formulierungen am Telefon wie "der heilige Nikolaus hat was gefunden" gingen die Ermittler davon aus, dass es sich dabei um eine für einen Automatenaufbruch geeignete Bank handeln könnte.
Ob die Beamten denn dafür Belege hätten, wollte der Frankfurter Rechtsanwalt Manfred Hans, Verteidiger eines der Angeklagten, wissen. Man habe es vermutet, meinte der Polizist daraufhin. Ob es sein könne, dass sich die überwachten Männer womöglich über ein Auto, das sie für einen anstehenden Handel gefunden hätten, unterhalten haben, wollte der Anwalt wissen. Könnte sein, musste der Ermittler zugeben. Selbst das in einem Telefongespräch erwähnte bevorstehende Match, das die Fahnder als Hinweis auf einen geplanten Automatenaufbruch deuteten, könnte sich ebenfalls als Missverständnis herausstellen. Denn einen Tag nach diesem abgehörten, auf Bosnisch geführten Telefonat fand ein Fußballspiel zwischen Bosnien und Portugal in der EM-Qualifikation statt.
"Wir kamen zu dem Schluss, dass unmittelbar etwas bevorstehen könnte", meinte der Beamte nach fast zweistündiger Vernehmung. Wer von den vier Angeklagten der heilige Nikolaus gewesen sein soll, konnte er allerdings nur vermuten, einen Beleg dafür lieferte er nicht.
Auch die von ihm ausgewerteten Kontobewegungen eines der vier Männer brachten keinen eindeutigen Beweis dafür, dass unmittelbar nach den Automatenaufbrüchen große Summen teilweise auch nach Bosnien überwiesen worden waren.
Innerhalb von sechs Jahren seien es insgesamt 35 000 Euro gewesen, sagte der Ermittler. Das sei aufs Jahr gerechnet ja nicht so viel Geld gewesen, meinte daher der Trierer Rechtsanwalt Sven Kollett, der einen der Angeklagten verteidigt.

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