Der Kaiser ohne Kleider

Washington · Bislang regierte Donald Trump per Präsidentendekret. Sein erster Versuch, per Gesetzgebungsverfahren die Gesundheitsreform seines Vorgängers abzuschaffen, scheiterte am Widerstand seiner eigenen Partei.

Washington Donald Trump würde Nägel mit Köpfen machen, so hat er sich verkauft. Er kandidierte nicht als orthodoxer Republikaner, als Demokrat natürlich auch nicht, er gab den flexiblen Geschäftsmann, der etwas vom Verhandeln versteht und durchsetzen wird, woran Generationen vermeintlich inkompetenter Berufspolitiker gescheitert sind. "Ich allein kann es in Ordnung bringen", das war der Satz, in dem seine Anmaßung gipfelte.
Dass er an seinem ersten großen Gesetzesvorhaben blamabel gescheitert ist, ist deshalb mehr als eine gewöhnliche politische Niederlage. Es ist der Moment, in dem der Kaiser ohne Kleider dasteht. Ein Moment, in dem der Großsprecher mit aller Härte auf dem Boden einer Realität landete, die er schlicht ignoriert hat.
Noch nie in der jüngeren Geschichte der USA hat ein Präsident einen holprigeren Start hingelegt. Trumps Einreiseverbot für Bürger aus bestimmten islamisch geprägten Staaten wurde zweimal von Gerichten blockiert. Der durch nichts belegte Vorwurf, Barack Obama habe ihn abhören lassen, lässt ihn als Lügner dastehen. Die Schlappe bei dem Versuch, Obamas Gesundheitsreform abzuwickeln und durch ein abgespecktes, angeblich effizienteres Paket zu ersetzen, setzt allem die Krone auf, offenbart sie vor allem eines: fehlende Kompetenz.
Zu beobachten ist ein Präsident, der offenbar glaubt, zähes Feilen an Kompromissen lasse sich durch schnell geschriebene Twitterzeilen und das eine oder andere Pokermanöver ersetzen. Zu beobachten ist eine Regierungspartei, die nicht zu regieren versteht. Sieben Jahre hatten die Republikaner Zeit, um durch eigene Entwürfe zu untermauern, was sie unablässig predigten: "Obamacare" auszutauschen.
Nun zeigt sich, dass alles nur Getöse war. An kernigen Slogans mangelt es zwar nicht, wohl aber an belastbaren Alternativen, auf die sich die beiden Fraktionen am jeweiligen Ende des republikanischen Spektrums einigen konnten: hier gemäßigte Konservative, dort der Tea-Party-beseelte "Freedom Caucus", der den Staat auf ein Mindestmaß zurechtstutzen will. "Wir waren zehn Jahre lang Oppositionspartei", versucht Paul Ryan, Speaker des Repräsentantenhauses, eine Erklärung. "Gegen etwas zu sein war eine einfache Sache. Du musstest eben nur dagegen sein." Die psychologische Wende, weg vom bloßen Protestieren, habe man noch nicht vollzogen.
Ähnliches gilt für Trump, der im Wahlkampf ein derart düsteres Bild amerikanischer Wirklichkeit zeichnete, dass man glauben konnte, es handle sich um Rom vor dem Untergang. Konstruktiv ist ihm noch nichts gelungen. Der neue Vorsitzende der US-Demokraten, Tom Perez, beschreibt ihn süffisant als einen Lehrling, der in den Studios des "Apprentice", der Reality-Show, in deren Verlauf der Tycoon einst geeignete Bewerber aussiebte, nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte.
Ob Trump seine Lektion gelernt hat? Ob er beim nächsten Anlauf mehr Erfolg hat? Bis August will er eine Steuerreform durchs Parlament bringen. Sich bei diesem Thema zu einigen werde den Republikanern leicht fallen, orakelt der Entzauberte. Doch selbst in den eigenen Reihen gibt es viele, die seinen Optimismus nicht teilen. Zum einen hat ihm die Niederlage beim Ringen um die Gesundheitsreform den Wind aus den Segeln genommen. Zum anderen sollte "Trumpcare" spürbar reduzieren, was der Staat im Gesundheitssektor ausgibt. Damit sollte das Paket finanziellen Spielraum für Steuersenkungen schaffen - einen Spielraum, der nun fehlt.
Zudem dürften sich die zerstrittenen Fraktionen erneut in die Haare kriegen, sobald um Einzelheiten gestritten wird. Der Kandidat Trump hatte etwa angekündigt, die Unternehmenssteuer von 35 auf 15 Prozent zu senken: Moderaten Republikanern geht das zu weit. Der protektionistische Flügel, im Weißen Haus angeführt vom Chefstrategen Steve Bannon, verlangt wiederum die Einführung einer Grenzausgleichssteuer, was daraus hinausläuft, Exporte von Steuern zu befreien, Importe dagegen zu belasten. Ein solcher Schritt birgt das Risiko internationaler Handelskriege. Weshalb jene Konservativen, die ihre Partei als Verteidigerin des Freihandels verstehen, lautstark davor warnen.

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