Der Kampf um die Würde

Ideologischer Grabenkampf um aktive Sterbehilfe in Luxemburg: Im Herbst muss sich das Parlament erneut mit dem Gesetz beschäftigen, Gegner und Befürworter liefern sich eine Kampagnenschlacht.

Luxemburg. "Zum Feiern ist es noch zu früh", sagt Jean Huss. Der 61-Jährige ist nicht nur Gründungsmitglied der Luxemburger Grünen, er kämpft seit 20 Jahren für die Legalisierung aktiver Sterbehilfe im Großherzogtum. Zusammen mit der Sozialistin Lydie Err hat er dazu einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der am 19. Februar von einer denkbar knappen Mehrheit im Luxemburger Parlament mit 30 Ja-, 26 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen verabschiedet wurde (der TV berichtete). Im März verweigerte der Staatsrat allerdings die Zustimmung, daher muss im Herbst das Parlament erneut darüber beraten. Verständlich, dass Huss nur verhalten jubelt, auch wenn er und seine Mitstreiter den 19. Februar als "Sternstunde der Demokratie" bezeichnen.

Seitdem toben in Luxemburg eine Kampagnenschlacht und ein regelrechter Medienkrieg mit dem Ziel, die Parlamentarier vor der erneuten Abstimmung von der jeweiligen Position zu überzeugen. Die Befürworter, darunter die Grünen und die Sozialisten, zusammengeschlossen in der Gesellschaft für das Recht in Würde zu Sterben, werden unterstützt von der sozialistischen Tageszeitung "Tageblatt" und der von Studenten betriebenen Internetplattform "für kritische Zeitgenossen", sokrates.lu. Auf der anderen Seite die Gegner: Die Christdemokraten CSV von Premierminister Jean-Claude Juncker, die bei der Abstimmung im Februar eine herbe Niederlange hinnehmen mussten, konservative Ärzte und die katholische Kirche gestützt durch die CSV-Zeitung "Luxemburger Wort", die sich in Kirchenbesitz befindet. Sie plädieren für eine Stärkung der Palliativmedizin, also der Behandlung von unheilbaren Kranken, mit dem Ziel, ihnen bis zu ihrem Tod noch eine Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Beide Seiten schenken sich in dem ideologisch geführten Grabenkampf nichts. Die Gegner schrecken selbst vor dem Nazi-Vergleich nicht zurück. Es handele sich nicht um ein Gesetz für Massenmord, sondern es gehe um das Recht auf Selbstbestimmung, sagt Huss. Höhepunkt der Kampagnen sind Unterschriftenaktionen auf beiden Seiten. Im Internet und über die jeweiligen Zeitungen werden Unterstützer gesucht.

Die Befürworter vermelden mehr als 10 000 Unterschriften, auf der Internetseite der Gesetzes-Gegner euthanasie.lu werden 7200 Unterzeichner gemeldet. Auffallend zurückhaltend verhält sich bislang die Katholische Kirche. Bis auf eine vor Weihnachten und eine im März veröffentlichte Stellungnahme von Erzbischof Fernand Franck (Sterbehilfe sei "das bewusste Töten eines Menschen".) gibt es keine öffentlichen Äußerungen von Kirchenrepräsentanten.

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