Der Mindestlohn erhitzt im Landtag die Gemüter

Mainz · Der Landtag hat gestern mit den Stimmen von SPD und Grünen einen Antrag zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns verabschiedet. Die CDU-Fraktion hat abgelehnt, obwohl die Partei nach einem Vorstoß des Kreisverbands Trier-Saarburg intensiv darüber diskutiert und beim Landesparteitag ihre Position festlegen will.

 Rot-Grün will einen Mindestlohn, wie er bei den Gebäudereinigern bereits gilt, für alle Branchen einführen. Foto: dpa

Rot-Grün will einen Mindestlohn, wie er bei den Gebäudereinigern bereits gilt, für alle Branchen einführen. Foto: dpa

Mainz. Engagierte Redebeiträge, empörte Zwischenrufe, emotionale Ausbrüche: Selten ist im Landtag so hitzig über ein Thema debattiert worden wie über den Mindestlohn. Mehrfach greifen Abgeordnete zu ihrem blauen Kärtchen. Dieses signalisiert den Willen zu einer Kurzintervention, die das Sprechen trotz der ansonsten für alle Fraktionen begrenzten Redezeit erlaubt.
SPD und Grüne wollen einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro, der flächendeckend für alle Branchen gilt. Bislang gibt es ihn nur in zehn Branchen. Eine Gesetzgebungskompetenz hat das Land hier nicht, sie liegt beim Bund. Aber die Landesregierung soll nach dem Willen von Rot-Grün im Bundesrat Initiativen ergreifen.
70 Prozent der Bevölkerung seien für den Mindestlohn, argumentiert Kathrin Anklam-Trapp (SPD). So könne vermieden werden, dass bundesweit 1,3 Millionen Aufstocker auf staatliche Mittel angewiesen seien, weil sie mit ihrem Lohn nicht auskämen. Betroffen seien besonders Frauen. Die SPD begrüße ausdrücklich, dass die CDU ihre Meinung überdacht habe. "Frau Klöckner, teilen Sie uns doch heute ihre Position mit, die würden wir genauso gerne sehen wie ihr Lächeln", fordert Anklam-Trapp.
Auch SPD-Fraktionschef Hendrik Hering wirbt für den Mindestlohn. Fünf Millionen Menschen stünden täglich auf, gingen zur Arbeit und könnten von ihrem Lohn nicht leben. "Das hat sehr viel mit Würde zu tun." Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler betont, ein niedriger Lohn sei stets ein Aufstiegshemmnis und eine soziale Blockade. So sehr sich SPD und Grüne aber mühen, der Union Zustimmung abzuringen - die CDU lehnt ab, obwohl strittige Passagen aus dem rot-grünen Antrag entfernt wurden.
Das Thema sei "viel zu ernst, um ein Spielchen daraus zu machen", begründet Josef Rosenbauer. Die CDU wolle die Tarifautonomie und das Ordnungsgefüge der sozialen Marktwirtschaft erhalten. Fraktionschefin Julia Klöckner kritisiert, Rot-Grün habe in der Ära Schröder/Fischer im Bund nichts getan. "Da blasen sie hier die Backen auf, ich finde das nur noch peinlich." Die Landesregierung müsse sich zunächst an die eigene Nase fassen. Es gebe Kettenverträge für Lehrer, Schwangere würden nicht weiterbeschäftigt und Sicherheitsleute beschämend bezahlt.
Der Eifeler Michael Billen, der 2007 als erster Christdemokrat im Landtag einen Mindestlohn gefordert hatte, stellt klar: "Ich bin nicht für einen Mindestlohn, den die Politik nach Gefühl festlegt." Selbiger müsse sich am Hartz-IV-Satz orientieren und zwanzig Prozent darüber liegen.
Immer wieder verlangen SPD und Grüne eine klare Position von Klöckner, ob sie nun für oder gegen den Mindestlohn sei. Doch die CDU-Chefin verweist auf den Diskussionsprozess in ihrer Partei, der mitten im Gang sei.
Genau das spießt Arbeitsministerin Malu Dreyer (SPD auf). "Das Dilemma ist ausschließlich auf Seiten der CDU, die keine klare und geschlossene Position zum Thema hat." Ein Mindestlohn gefährde die Tarifautonomie in keinster Weise. Das Aufstocken müsse vermieden werden, weil dadurch nur niedrige Löhne vom Staat subventioniert würden.Meinung

Den Finger in die Wunde gelegt
SPD und Grüne haben mit ihrem Mindestlohn-Antrag ein Ziel ganz sicher nicht verfolgt: das Thema im Schulterschluss mit der CDU voranzubringen. Dazu war ihr Papier zu provozierend formuliert. Die Stoßrichtung lautete vielmehr, den Finger in eine Wunde der Union zu legen und diese vorzuführen. Quer durch die christdemokratische Partei verläuft beim gesetzlichen Mindestlohn ein Riss - die einen sind vehement dafür, die anderen strikt dagegen. Das gilt nicht nur landes-, sondern bundesweit. Mittendrin befindet sich Landeschefin Julia Klöckner, die zwar ihre Abneigung durchscheinen lässt, aber mit ihrer Zurückhaltung der heiklen Diskussion vor dem bevorstehenden Landesparteitag keine Richtung gibt. Manche sticheln, erst müsse wohl Kanzlerin Angela Merkel im Bund den Daumen heben oder senken. Etwas hilflos wirken in diesem Zusammenhang die CDU-Vertreter aus Trier-Saarburg. Sie haben die Debatte befeuert und sind für den gesetzlichen Mindestlohn, ebenso wie die Sozialausschüsse der Partei. Dennoch mussten sie im Landtag, der Fraktionsdisziplin gehorchend, ablehnen. Das lässt sich den Bürgern nur schwer erklären. f.giarra@volksfreund.de

Stimmen

Arnold Schmitt, Riol: "In dem Antrag ist außer in der Überschrift nichts vom Mindestlohn drin. Ministerpräsident Kurt Beck hat in Zeiten der rot-grünen Regierungskoalition in Berlin nichts zum Thema beigetragen. Im Antrag wird aber sein Engagement gelobt - dem kann ich nicht zustimmen." Bernd Henter, Konz: "Die CDU befindet sich in einem Diskussionsprozess, den der Kreisverband Trier-Saarburg entscheidend mit angestoßen hat - darauf sind wir stolz. Die Diskussion endet beim CDULandesparteitag im November, nicht im Landtag. Ich hoffe, mit einem Beschluss für den Mindestlohn." Michael Billen, Kaschenbach: "Die CDU kann diesem Antrag der Koalition nicht zustimmen, weil er so gestellt ist, dass er nicht dem Interesse der Einführung eines Mindestlohns dient, sondern eine politische Show-Veranstaltung ist. Das Thema ist zu ernst, um es mit fadenscheinigen Anträgen zu behandeln."

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