Der schwierige Weg raus

MAINZ. In die rechte Szene reinschlittern geht leicht: Skinheadpartys und Konzerte locken, Fan-Magazine machen Stimmung. Die Anwerbeversuche nehmen massiv zu, warnt der Verfassungsschutz. Der Weg aus der Szene ist dagegen ungleich schwerer, wie die Mitarbeiter des Aussteigerprogrammes "(R)AUSwege" wissen.

 Den Ausstieg aus der rechten Szene erleichtert jetzt das Landesprogramm "(R)AUSwege".Foto: dpa

Den Ausstieg aus der rechten Szene erleichtert jetzt das Landesprogramm "(R)AUSwege".Foto: dpa

Die coole Musik, der lockere Umgang mit Alkohol und die unkonventionell-faszinierende Szene haben dem Jugendlichen gut gefallen, als er nach reichlich Stress zu Hause und dem x-ten Rauswurf aus einem Job-Projekt wieder einmal bei null angekommen war und Anschluss suchte - diesmal bei den Skinheads. Doch am Ende standen ständige Prügeleien, Straftaten und schließlich U-Haft. Erst dieser Leidensdruck und der quälende Entzug brachten bei dem jungen Mann das rheinland-pfälzische Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" ins Spiel. Trotz Anlaufschwierigkeiten gelang es ihm, über das Hilfe-Netzwerk einen Job zu finden, ja sogar den Führerschein zu machen. "Teilweise ist eine lange Begleitung notwendig, manchmal wird sie ausdrücklich gewünscht", weiß der Rauswege-Mitarbeiter aus Erfahrung. Seit Einrichtung der Aussteiger-Hotline für Jugendliche im rechten Lager im Frühjahr 2001 sind rund 8000 Anrufe eingegangen. Fast 1200 Beratungsgespräche gab es neben den vielen Testanrufern oder "Schweigern". In 117 Fällen haben die insgesamt vier Helfer telefonisch oder durch direkten Kontakt Unterstützung geleistet. Bei zwei Drittel der Fälle wurde eine Distanzierung erreicht, ein Drittel davon zeigte sich ausstiegswillig. Vertreten waren unter den Anrufern alle gesellschaftlichen Gruppen - der Schulabbrecher ebenso wie der Abiturient. Selbst Zwölfjährige haben sich bereits gemeldet, die in eine Clique hineingeraten sind, aus der sie sich nicht so einfach wieder verabschieden konnten, weil ihnen Angst vor dem Gruppendruck im Nacken saß. Bei den 12 bis 16 Jahre alten Teenagern spielt die Ideologie noch keine Rolle. Vielmehr wird eine rechte Pop-Kultur als Lockmittel und zur Abgrenzung geschaffen. Fetzige Musik statt Inhalte, heißt die Parole, um bei der Jugend zu fischen. Eine Propaganda-Aktion "Projekt Schulhof", bei der eine CD mit bekannten rechten Musikgruppen und Kontaktadressen rechtsextremistischer Gruppierungen an Schulen in Umlauf gebracht werden sollte, konnte 2004 von den Sicherheitsbehörden verhindert werden. Reicht bei Jüngeren meist der telefonische Kontakt, um wieder auf Distanz zu gehen, stehen bei den 16- bis 26-Jährigen oft schon verfahrene Lebenssituation mit Schulden, Alkohol oder Arbeitslosigkeit im Vordergrund. "Der Weg in die rechte Szene hat oft eine lange Geschichte", so ein Rauswege-Mitarbeiter. Die Wege raus allerdings auch. Sie müssen oft "an die Hand nehmen", um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Ihr Programm genießt durchaus Respekt in der Szene, weil die Unterstützung greift, wissen sie. Seit 2003 gibt es auch ein Beratungstelefon für Eltern gefährdeter Jugendliche. Hotline Aussteigerprogramm "(R)AUSwege" für Jugendliche: 0800-4546000. Beratungstelefon für Eltern rechtsextremistisch orientierter Jugendlicher: 06131-967520.

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