Der Trierer für Rio: Ruderer Richard Schmidt spricht über Fäkalien und den russischen Doping-Skandal

Trier/Rio de Janeiro · Das erste Ziel sei es, so sagt Richard Schmidt, nicht krank zu werden. Nur wer es schaffe, sich trotz Tigermücke und fäkaliengetränktem Wasser in der Guanabara-Bucht nichts einzufangen, habe bei Olympia in Rio Medaillenchancen. Vor dem Start der Spiele hat der TV mit dem Ruderer aus Trier über Vorsichtsmaßnahmen, endlose Trainingseinheiten, harte Konkurrenz und darüber gesprochen, wie die Ruderboote nach Südamerika gelangen.

Klar, könnte sich Richard Schmidt Sorgen machen. Er könnte darüber nachdenken, wie es wäre, wenn doch ein Tropfen dieser Drecksbrühe in seinem Mund landen würde. Er könnte im Kopf auch das Szenario durchspielen, was mit ihm passieren würde, wenn es eine dieser fliegenden Biester doch schaffen sollte, ihn in den Fuß zu stechen. Ja, und er könnte sich auch über die Zustände in den Wohnungen des olympischen Dorfs aufregen, über die nicht funktionierenden Toiletten zum Beispiel. Er könnte, er macht es aber nicht. Stattdessen nimmt Richard Schmidt das alles lieber mit Humor: "Wir werden da wie echte Deutsche auftreten: Die weißen Tennissocken in den Badelatschen - so hochgezogen, wie's nur geht." Als er den Satz beendet hat, fängt er an zu lachen. Dabei besitzt das mit den Tennissocken einen ziemlich ernsten Hintergrund. "Unser Teamarzt hat uns empfohlen, die Tennissocken solange wie möglich vor dem Einstieg ins Boot anzulassen, denn die Zika-Fliege sticht bevorzugt in Fuß und Bein. Zudem hat er uns geraten, zuerst Sonnenmilch auf die Haut aufzutragen, dann Insektenspray." Diese Reihenfolge müsse unbedingt eingehalten werden.

Es war niemals einfach für einen Athleten, bei Olympischen Spielen eine Medaille zu ergattern. In diesem Jahr allerdings ist es noch einmal um ein Vielfaches schwerer. Olympia 2016 in Rio de Janeiro ist mehr als anreisen, ins olympische Dorf ziehen und mit den Wettkämpfen beginnen. "Bei Olympia 2016", sagt Richard Schmidt, "lautet das erste Ziel: sich nichts einzufangen - nur wer das schafft, hat Chancen, um eine Medaille zu kämpfen". Der 29-Jährige ist Ruderer. Mit dem Deutschland-Achter kämpft er in Rio um die Goldmedaille. Der Trierer ist neben der ebenfalls an der Mosel aufgewachsenen Fußballerin Josephine Henning der einzige Athlet aus der Region, der es zu den Spielen geschafft hat. Er weiß, was abgeht bei Olympia, war schon 2008 in Peking dabei, auch 2012 in London - dort holte er sensationell Gold. In Rio wollen er und seine Kollegen diesen Titel verteidigen.

Wenige Tage vor der Abreise an den Zuckerhut erreicht der TV Schmidt telefonisch in seiner Wahlheimat Dortmund. Dort studiert er Wirtschaftsingenieurwesen, schreibt derzeit an seiner Masterarbeit. Bei aller Lockerheit, mit der er in diesen Tagen an die Olympischen Spiele herangeht - so ganz kalt lassen ihn die Hiobsbotschaften vom Zuckerhut dann doch nicht. Neben dem Zika-Virus beschäftigt ihn die Qualität des Wassers in der Guanabara-Bucht. Dort wird Schmidts Ruder-Achter um Medaillen kämpfen - doch das Wasser ist ekelerregend. Fäkalien, abgetrennte Körperteile, Müll - all das dümpelt dort durch die Bucht. "Ich würde mir natürlich lieber eine Bucht mit sauberem Wasser wünschen", gesteht der Ruderer, der für den Ruderverein Treviris 1921 antritt, "aber es ist halt nicht so. Was soll ich machen?" Um bloß nicht mit der Ekel-Brühe in Berührung zu kommen, haben Schmidt und seine Kollegen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. "Wir dürfen keine Wasserflaschen mit ins Boot nehmen, um der Gefahr zu entgehen, dass kontaminiertes Wasser in die Flaschen gelangen kann - wenn wirklich einer durch dieses Wasser krank werden würde, wäre das fatal." Auch die Naturgewalten in der Bucht seien nicht zu unterschätzen, betont Schmidt. "Dort muss man mit starkem Seitenwind rechnen, auch die Wellen können ziemlich hoch sein - aber damit müssen alle Teams klarkommen."

Die letzten eineinhalb Wochen vor der Abreise nach Brasilien haben sich die deutschen Ruderer im schleswig-holsteinischen Ratzeburg vorbereitet. In den letzten Monaten absolvierte Schmidt drei bis vier Einheiten pro Tag, von jeweils 90 bis 120 Minuten. "Ich bin mir sicher, dass wir gut vorbereitet sind, wir wollen Gold holen, klar, aber die Konkurrenz aus Großbritannien, den Niederlanden und Neuseeland ist extrem stark."

Auch das russische Boot ist traditionsgemäß ein harter Konkurrent der Deutschen. Durch den Dopingskandal sind in diesem Jahr allerdings 20 Athleten und zwei Steuermänner der Russen von den Spielen ausgeschlossen worden, die weiteren sechs nominierten Ruderer dürfen starten. Schmidt hat dazu eine klare Meinung: "Es kann nicht sein, dass ein Staat Doping fördert. Klar ist, ein Athlet, bei dem Doping nachgewiesen wird, muss gesperrt werden". Es könne allerdings auch nicht sein, findet Schmidt, "dass man pauschal alle russischen Sportler sperrt, das wäre auch falsch".

Deutschland stellt mit elf Frauen und 28 Männern ein beachtliches Ruderteam. Die Ruderboote wurden bereits vor einigen Tagen mit einer Frachtmaschine vom Luxemburger Flughafen Findel sicher nach Rio geflogen. Schmidts Boot, der Achter, gilt dabei als deutsches Flaggschiff. Der Trierer ist einer der erfahrensten im Team. Nur Marcel Hacker im Doppelzweier hat mit fünf Olympia-Teilnahmen mehr Erfahrung.

In Trier ist Schmidt übrigens nur noch selten zu Gast. "Der Sport lässt es leider viel zu selten zu", erzählt der 29-Jährige, "alle paar Wochen bin ich mal für ein paar Stunden an der Mosel bei meinen Eltern". Nach Olympia, erzählt er dann noch, gönne er sich auf jeden Fall erstmal einen längeren Urlaub - ein paar Tage davon wird er sicherlich auch an der Mosel verbringen.Extra post aus rio

Neben Richard Schmidt ist mit Fußball-Natioalspielerin Josephine Henning vom FC Arsenal London eine weitere in Trier aufgewachsene Sportlerin in Rio aktiv. Während Henning am Mittwoch bereits den ersten Sieg mit ihrem Team feiern konnte (siehe Seite 16), wird es für Richard Schmidt im Ruder-Achter am Montag, 8. August, zum ersten Mal so richtig ernst. Dann steht für die Jungs der erste Vorlauf an. Für den Trierischen Volksfreund wird Schmidt in den kommenden zwei Wochen in loser Reihenfolge aus Brasilien berichten. In der Reihe Post aus Rio wird Schmidt über seine Eindrücken vom Zuckerhut berichten. Den ersten Teil gibt's in der TV-Samstagsausgabe. mfr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort