„Deutscher Fritzl“: Missbrauchsprozess gegen Westerwälder beginnt

Fluterschen/ Koblenz · Deutschland ist fassungslos über das Missbrauchsdrama von Fluterschen – das Ausmaß der mutmaßlichen Verbrechen erinnert an die Taten des „Inzest-Monsters“ Josef Fritzl: Ab heute steht der „deutsche Fritzl“ Detlef S. wegen 350-fachen Kindesmissbrauchs vor dem Landgericht Koblenz. Der Tatzeitraum beträgt 23 Jahre, von 1987 bis 2010.

(haw/RZ) Der 48-jährige Familienvater aus dem 750-Seelen-Ort Fluterschen (Kreis Altenkirchen) soll mit seiner heute 27-jährigen Adoptivtochter acht Kinder gezeugt haben. Der Tatzeitraum beträgt 23 Jahre, von 1987 bis 2010. Sieben Kinder leben heute bei ihrer Mutter, eines ist bereits verstorben. Außerdem soll Detlef S. seine Adoptivtochter und seine leibliche Tochter (18) zur Prostitution gezwungen haben. Zu diesem Zweck hat er sie laut der Anklageschrift zu fremden Männern gefahren. Detlef S. soll bei den sexuellen Handlungen teilweise zugesehen und das Geld dafür kassiert haben. Bereits Ende der 80er-Jahre soll der mutmaßliche Kinderschänder seinen Adoptivsohn Björn missbraucht haben.

Detlef S. wurde im August 2010 in seinem Haus festgenommen. Seither sitzt er in Koblenz in Untersuchungshaft. Besonders sein Adoptivsohn Björn empfindet großen Hass gegen ihn. „Ich hoffe, dass er nie wieder 'rauskommt“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Wie konnte es zu den mutmaßlichen Missbrauchstaten kommen? Dazu sagte die Adoptivtochter Natascha dem Fernsehsender N24: „Das ist für Außenstehende schwer zu verstehen. Das hat mit der Psyche und den Zwanghaftigkeiten zu tun gehabt.“

Detlef S. drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Möglicherweise muss er für immer hinter Gitter. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat gegen ihn die Sicherungsverwahrung beantragt. Medien nennen den Angeklagten den „deutschen Fritzl“, weil der Fall Fluterschen an den Fall Josef Fritzl erinnert. Der Österreicher sperrte seine Tochter 24 Jahre lang in ein unterirdisches Kellerverlies, vergewaltigte sie und zeugte mit ihr sieben Kinder. 2009 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

Im Prozess gegen Detlef S. verliest der Staatsanwalt heute die Anklageschrift. Dann könnte der Angeklagte zu den schweren Tatvorwürfen Stellung nehmen. Doch nach Auskunft seines Anwaltes Thomas Düber will er schweigen. Außerdem soll heute die Adoptivtochter aussagen. Wahrscheinlich schließt das Gericht während ihrer Aussage die Öffentlichkeit aus. Dann müssen alle Zuhörer und Journalisten den Saal verlassen. Das Gericht hat bis Ende Februar vier weitere Prozesstage angesetzt. Morgen und am Donnerstag sollen die Tochter und der Adoptivsohn des Angeklagten aussagen.

EXTRA:

Zeitungen, TV-Sender, Internetseiten und Radiosender: Alle Medien berichten über das Missbrauchsdrama in Fluterschen (Kreis Altenkirchen). Der mutmaßliche Täter Detlef S. sitzt seit August hinter Gittern – und bekommt von all dem nur wenig mit. Er hat in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Koblenz einen Fernseher. Andere Medien kann er laut seinem Anwalt Thomas Düber nicht nutzen. Der erfahrene Strafverteidiger hat Detlef S. gut 20 Mal im Gefängnis besucht. In einem Interview schildert er seine Treffen mit dem Mann.

Was macht Detlef S. für einen Eindruck auf Sie?
Düber: Er ist stark verängstigt und von dem riesigen Medienrummel unheimlich beeindruckt. Damit hätte er nie gerechnet. Die ganze Situation belastet ihn natürlich sehr.

Wie oft haben Sie ihn im Gefängnis besucht?
Bestimmt 20 Mal. Wir haben oft stundenlang in einem Besuchsraum miteinander gesprochen. Über die Anklage und über sein Verhalten im Prozess.

Wie liefen die Besuche ab?
Wir wurden zu zweit in den Besuchsraum gesperrt. Er ist fast leer, nur ein Tisch und zwei Stühle stehen dort. Das Fenster ist vergittert.

Hat Detlef S. auch von anderen Menschen Besuch bekommen?
Ja, nach seiner Inhaftierung haben ihn einige seiner Kinder besucht. Später nicht mehr.

Haben ihn seine Ehefrau oder seine mutmaßlichen Opfer besucht?
Nein.

Wird Ihr Mandant im Prozess zu den Vorwürfen Stellung nehmen?
Nach derzeitigem Stand (am Montagabend, Anmerkung der Redaktion) sieht es nicht so aus. Er wird wohl keine Aussage machen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen Ihren Mandanten die Sicherungsverwahrung beantragt, weil sie ihn für allgemeingefährlich hält.
Ja, das stimmt. Aber die Allgemeingefährlichkeit meines Mandanten konnte bisher noch kein Gutachter bestätigen.

Warum nicht?
Mein Mandant war nicht bereit, sich begutachten zu lassen.

(Das Gespräch führte Hartmut Wagner.)

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