Deutschlands einzige Ampel regiert in Rheinland-Pfalz

Trier/Mainz · Ein Jahr Rot-Gelb-Grün in Rheinland-Pfalz: Die Regierung lobt sich selbst, will endlich die „Blamage“ um den geplatzten Hahn-Verkauf überwinden und eine Lücke in der Eifel schließen.

Malu Dreyer wirkt so, als könnte sie die Fragen nach dem Flughafen Hahn nicht mehr hören. Als die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin über das erste Jahr in der Ampelkoalition mit SPD, FDP und Grünen spricht, erwähnt sie den Hunsrück-Airport in ihrer Bewertung mit keiner Silbe. Erst, als ein Journalist die Landeschefin um eine Bewertung des geplatzten Verkaufs bittet, sagt sie im gereizten Ton: "Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass das eine Blamage war." Das Hahn-Desaster, das im geglückten Verkauf an den chinesischen Konzern HNA mündete, überschattete das erste Jahr der Ampelregierung. Doch es ist nicht das einzige Projekt, das das Land bis 2021 abarbeiten muss.
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Das sind Baustellen in der Region: Verkehrsminister Volker Wissing kündigt dazu bei den Straßen an, das Planfeststellungsverfahren für den Lückenschluss der A 1 in der Eifel noch 2017 gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen zu wollen. Das Baurecht peilt das Land für 2021 an.
Alle Hände voll zu tun hat das Land bei der Digitalisierung, besonders bei den Breitbandverbindungen: 75,5 Prozent der rheinland-pfälzischen Haushalte haben eine Abdeckung mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde, die von der Regierung mindestens anvisiert ist und 2018 flächendeckend im Land umgesetzt sein soll.
Durch den Austausch von 1000 Öfen oder Nahwärmenetzwerken will das Land den Wandel des Wärmeverbrauchs in erneuerbare Energien umsetzen - und einen Schwerpunkt auf die Region legen.
Und: Eine in der Westpfalz erfolgreiche Initiative zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit soll es ab 2018 in ganz Rheinland-Pfalz geben. Diese soll Menschen das Entkommen aus Hartz IV und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Im Hinterkopf muss das Land dabei den Haushalt haben - der muss bis 2020 ausgeglichen sein.
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Was die Ampel bewegt hat: Einiges tat sich bei der inneren Sicherheit: Das Land stellt künftig 535 Polizei-Anwärter pro Jahr in der Hochschule am Hahn ein, stärkt den Verfassungsschutz und stationiert in Wittlich noch in diesem Jahr Spezialeinsatzkräfte. Dazu soll es künftig Videoüberwachung bei Großveranstaltungen mit mehr als 500 Menschen geben und anlassbezogene, digitale Kennzeichen-Kontrollen wie nach Terror-Angriffen. Verkehrsminister Volker Wissing hebt auch den Meister-Bonus von 1000 Euro hervor, den künftig jeder Absolvent vom Land kriegen soll.
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!Wie die Ampel bewertet wird: Malu Dreyer lobt das Ampelbündnis als Option für den Bund. Patrick Schnieder, Generalsekretär der Landes-CDU, sieht das ganz anders. "Die Landesregierung hat schwach angefangen und noch stärker nachgelassen", lästert der Vulkaneifeler. Er moniert, die Regierung habe sich beim Hahn von Hochstaplern düpieren lassen.
Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Trier, sieht die Regierung gefordert, den Breitband-Ausbau voranzutreiben und kommunalen Haushalten mehr Spielräume zu verschaffen.
Dietmar Muscheid, Landesvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, tadelt "stiefmütterliche Investitionen" in die Infrastruktur.

WIE SICH DIE REGIERUNG ZUSAMMENSETZT
Das Bündnis zwischen SPD, FDP und Grünen ist einmalig in Deutschland - und gibt es nirgendwo anders. Die SPD stellt dabei mit Malu Dreyer die Landeschefin und fünf Minister, FDP und Grüne haben je zwei Minister im Amt. Nach der Wahl 2016 wäre ansonsten nur eine große Koalition möglich gewesen.

Meinung
Die Ampel leuchtet hauptsächlich rot - Im Land gibt es noch viele offene Baustellen

Die Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz, die seit einem Jahr die Geschicke des Landes leitet, hat einen denkbar schlechten Start gehabt. Kaum im Amt, scheiterte der erste Versuch, den Flughafen Hahn zu verkaufen. Die gerade inthronisierte Landesregierung war Betrügern aufgesessen. Seitdem überschattet die peinliche Posse das rot-gelb-grüne Bündnis. Und derzeit ist noch nicht abzusehen, wann sich dieser Schatten lichten wird, selbst wenn der finanziell angeschlagene Flughafen nun doch erfolgreich verkauft werden kann. Denn ein Untersuchungsausschuss zum "Hahn-Sinn" ist noch nicht ganz vom Tisch.
Daher haftet dem Dreyer-Bündnis trotz der gestern bei der Zwischenbilanz verbreiteten optimistischen Töne und des Selbstlobs ein Makel an.
Zwar hat die Ampel in dem einen Jahr ihres Bestehens besser funktioniert, als Kritiker erwartet hatten. Doch bei genauerem Betrachten ist es eine recht einfarbige, nämlich rote, Ampel. Die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer dominiert die Koalition, gibt den Takt und die Themen vor. Und zwar so deutlich, dass die am Katzentisch mitregierenden Grünen noch weniger wahrgenommen werden als in der vorherigen rot-grünen Koalition. Und die wieder in den Landtag und in die Regierung zurückgekehrte FDP hat in dem einen Jahr so viel Kreide gefressen, dass von den im Wahlkampf gemachten Versprechungen und Forderungen kaum noch etwas übrig geblieben ist. Wer heute den Liberalen-Landeschef und Wirtschaftsminister Volker Wissing über die Erfolge der Ampel reden hört, kann kaum glauben, dass er zuvor ein genau solches Bündnis vehement abgelehnt und eine deutliche Kampfansage an rot-grüne Politik gemacht hat.
Zwar konnten sich die Liberalen mit einer Begrenzung des bis dahin nahezu ungebremsten Ausbaus der Windkraft im Land und einer Aufstockung der Mittel für den Straßenbau durchsetzen. Doch reicht das nicht, um das Gelb in der Ampel deutlich sichtbar strahlen zu lassen.
Nach einem Jahr rot-gelb-grüner Landesregierung gibt es noch jede Menge offene Baustellen, deren Schließung nicht abzusehen ist. Der dringend notwendige Breitband-Ausbau, den Dreyer gestern noch einmal als einen der Schwerpunkte bezeichnet hat, hinkt weiter deutlich hinter den Versprechungen und Bedürfnissen zurück. Auch bei der Kommunalreform tut sich die Landesregierung schwer, sie hat die Proteste und Befindlichkeiten vor Ort und die Verfassungsmäßigkeit einiger Fusionen falsch eingeschätzt.
Beim Pensionfonds schließlich, mit dem die Altersversorgung der Landesbeamten finanziert werden soll, hat das Land eine Klatsche vom Koblenzer Verfassungsgerichtshof kassiert. Ebenso bleiben die Schulen im Land eine offene Baustelle. Das Land will kleine Grundschulen und Realschulen plus schließen und trotz steigender Schülerzahlen Lehrerstellen abbauen. Ein klares Konzept dafür ist aber derzeit noch nicht erkennbar.
Vier Jahre bleiben der Ampel noch, um die offenen Baustellen erfolgreich zu schließen. Angesichts dessen, dass einige der Projekte noch nicht einmal über die Phase der Ankündigung hinaus sind und - um im Bild zu bleiben - der Bagger dafür noch nicht einmal bestellt ist, ist das nicht wirklich viel Zeit.
b.wientjes@volksfreund.de

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