Die Älteste fordert Wulff und Gauck heraus

Ungleicher Dreikampf bei der Bundespräsidenten-Wahl Ende Juni: Die Linke lässt die Abgeordnete Luc Jochimsen gegen Christian Wulff und Joachim Gauck antreten. Doch die frühere HR-Chefredakteurin ist chancenlos.

Berlin. Präsidenten-Gewusel auf der Fraktionsebene des Reichstages. Während sich Joachim Gauck bei einer begeisterten SPD-Fraktion über den öffentlichen Zuspruch zu seiner Kandidatur wunderte ("Das ist eine überraschende Erfahrung"), trat nebenan federnden Schrittes die Führungsspitze der Linken vor die Presse. Zwischen sich eine vornehme ältere Dame in Schwarz: Lukreza Luise (Luc) Jochimsen ist seit gestern die einstimmig ernannte Kandidatin der Linken für die Nachfolge Horst Köhlers.

Sie ist zwar mit 74 Jahren nach Heinz Riesenhuber das zweitälteste Mitglied des Bundestages, aber durchaus eines der vitalsten. Jochimsen strahlte und wirkte auch angesichts der Tatsache, dass sie in der Bundesversammlung nicht die geringsten Chancen hat, viel mehr als die 124 Stimmen ihrer eigenen Fraktion zu bekommen, absolut nicht geknickt. "Ich war immer in einer Außenseiterposition".

Der Krieg war für die Anfang 1936 geborene Nürnbergerin nach eigenem Bekunden "die prägende Lebenserfahrung". Als Kulturpolitikerin setzt sie sich viel mit der Erinnerungskultur des Landes auseinander. Jochimsen ist vielen Bundesbürgern und auch den DDR-Bürgern mit Westfernsehen als langjährige Panorama-Redakteurin, London-Korrespondentin der ARD, Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks und Talk-Moderatorin ("Drei, zwei, eins") noch bekannt. Sie war immer eine Linke. Aber zunächst nicht im parteipolitischen Sinne. Erst die "Stigmatisierung der PDS" und die "Kriegseinsätze" der Regierung Schröder hätten sie zu dieser Partei gebracht, sagte sie. 2002 trat sie zum ersten Mal für die PDS zum Bundestag an, seit 2005 sitzt sie drin. Auch die Führungsspitze strahlte. Denn die beginnende innerparteiliche Debatte, ob nicht doch Joachim Gauck von den Linken mitgewählt werden solle, ist nun abrupt beendet. Fraktionschef Gregor Gysi und Parteichef Klaus Ernst zeigten sich gefrustet, weil SPD und Grüne die Linke gar nicht erst fragten, als sie Gauck aufstellten. Die Chance, gemeinsam vorzugehen, sei vertan worden, grantelte Ernst.

"SPD und Grüne sind noch nicht im Fünf-Parteien-System angekommen". Jochimsen selbst übte sich schon mal in der "Macht des Wortes", die nach ihrer Meinung die eigentliche Aufgabe des Bundespräsidenten ist. Sie wolle eine "Frieden-stifterin", "Vereinigerin" und "Schirmherrin der Schwachen" sein, sagte sie. Vor allem Letzteres unterscheide sie von Gauck, der Freiheit unabhängig vom Sozialstaat definiere, fand sie.

Nächste Woche geht das Schaulaufen unter der Reichstagskuppel weiter. Dann kommt der, der als Einziger wirklich Chancen hat, Bundespräsident zu werden: Christian Wulff.

Meinung

Nicht wählbar

Für die Linkspartei, Schrägstrich Ex-PDS, Schrägstrich Ex-SED, ist Joachim Gauck "nicht wählbar", wie ihre Vorsitzende Gesine Lötzsch sofort nach dessen Nominierung sagte. Lötzsch nannte keine Begründung, ganz so, als sei "nicht wählbar" bei Gauck so selbstverständlich wie die Aussage, dass verschimmeltes Brot nicht genießbar ist. Also können wir nur vermuten: Ist es, weil Gauck einst nicht in die FDJ eintreten wollte, nachdem sein Vater nach Sibirien deportiert worden war? Weil er 1989 Sprecher des "Neuen Forums" wurde und die Mauer von innen mit zum Einsturz brachte? Oder liegt es daran, dass Gauck das Stasi-Unterlagen-Gesetz initiierte und seine Behörde Gregor Gysi der Spitzelei beschuldigte? Keine Antwort. Nun stellt die Linke ihre Bundestagsabgeordnete Luc Jochimsen gegen ihn auf, so dass die Wahlmänner und -frauen der Partei eine eigene Kandidatin vorfinden. Das erübrigt weitere Debatten. Die frühere ARD-Journalistin Jochimsen ist eine aufrechte Pazifistin, Antifaschistin und Radikaldemokratin. Gegen sie ist absolut nichts einzuwenden. Allerdings, dass sie sich so bereitwillig als Alibi hergibt, um die eigentlichen Ablehnungsgründe gegen Gauck zu übertünchen, das macht nun sie - nicht wählbar. nachrichten.red@volksfreund.deextra Christian Wulff: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat seinen Kurs bis zur Bundespräsidentenwahl gegen Kritik verteidigt. Die SPD forderte, Wulff solle rasch als Regierungschef zurücktreten und die Parteipolitik hinter sich lassen. Wulff aber will sein Amt in Niedersachsen erst niederlegen, wenn er zum Bundespräsidenten gewählt ist. Er handle aus "Respekt vor der Bundesversammlung", bekräftigte Wulff gestern in Hannover. Joachim Gauck: Der von SPD und Grünen vorgeschlagene Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck will auch mit der Linkspartei über seine Bewerbung sprechen. Wenn er dazu eine Einladung erhalte, werde er sie annehmen, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler am Dienstag in Berlin. Der 70-Jährige sagte zu seiner Kandidatur, er wolle dazu beitragen, dass "Furcht nicht zum Leitstern" für die Stimmung im Lande werde.

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