Die dunklen Deals der Chefs

Aus einer Fertigungshalle der Feluwa Pumpen GmbH wurde am Mittwochabend unter dem Titel "Täter ohne Blutvergießen" ein stimmiges Talkrunden-Ambiente. Nicht nur zahlreiche Unternehmer interessierten sich für die wohl häufigste Form von realem Krimi.

 Lebhafte Podiumsdiskussion zum Thema Wirtschaftskriminalität: (von links) Heinz Nägel, Geschäftsführer der Pumpenfabrik Feluwa, Sven von Soosten, Oberstaatsanwalt, TV-Moderator Alexander Houben und Krimiautor Jan Bergrath. TV-Foto: Rudolf Höser

Lebhafte Podiumsdiskussion zum Thema Wirtschaftskriminalität: (von links) Heinz Nägel, Geschäftsführer der Pumpenfabrik Feluwa, Sven von Soosten, Oberstaatsanwalt, TV-Moderator Alexander Houben und Krimiautor Jan Bergrath. TV-Foto: Rudolf Höser

Mürlenbach. Imposante 80 000 Fälle hat die Zentralstelle für Wirtschaftsstrafsachen der Staatsanwaltschaft mit Sitz in Koblenz pro Jahr zu bewältigen - und sie ist nur für den Bereich des nördlichen Rheinland-Pfalz zuständig. Im Schnitt zwei Jahre beträgt die Dauer der Ermittlungen. "Eigentlich sollten wir im Alltag von Wirtschaft nichts zu tun haben", lautete der wohl unerfüllbare Wunsch von Oberstaatsanwalt Sven von Soosten auf eine Frage von Talk-Moderator Alexander Houben. Beliebt: Illegales Wegschaffen von Know-how

Die Palette der einschlägigen Wirtschaftsdelikte von Steuerhinterziehung und Betrug über Bestechung oder Untreue bis zur Insolvenzverschleppung sei groß, "mit fließenden Grenzen zum sozial Üblichen". Nicht erstellte Bilanzen, nicht abgeführte Beiträge zu den Sozialversicherungen oder auch das illegale Ausplündern von Firmen durch Wegschaffen von Know-how und materiellem Betriebsvermögen gehören auch zu den "Klassikern" in seinem Zuständigkeitsbereich. Er plädierte für eine Art rechtlichen Führerschein für Unternehmer, denn ein häufiges Motiv für die Delikte ist nicht nur die simple Geldgier, sondern Unkenntnis des rechtlichen Rahmens, "nicht einmal Sprachkenntnisse werden verlangt". Die dunklen Facetten des Wirtschaftslebens, die Krimiautor und Frontal21-Rechercheur Jan Bergrath allerdings schilderte, lassen zumindest bei einigen Großkonzernen und bei der EU durchaus gezieltere kriminelle Energie vermuten, beispielsweise wenn es um Korruption geht. Vor allem Teile der Energiewirtschaft sind nach seinen Worten die größte kriminelle Vereinigung Deutschlands. "Was ich in den Romanen schildere, entspricht der Realität. Ich erwartete eigentlich Klagen gegen mich, aber die Konzerne haben sich bislang nicht getraut, wie mir Insider sagten. Denn dann bekommt ihr Treiben zu viel Aufmerksamkeit." Mangelnde Aufmerksamkeit des Gesetzgebers für eine grassierende Form von Kriminalität, die viele Mittelständler betrifft, kritisierte Gastgeber Heinz Nägel, Chef der Feluwa: "Es müsste deutlich mehr getan werden gegen Industriespionage." Dagegen könne sich ein deutsches Unternehmen im globalen Wettbewerb nur noch schwer schützen - höchstens mit cleveren Einzelmaßnahmen von begrenzter Wirkung. "Im Internetauftritt sollte man sich nicht mit vielen Informationen ‚ausziehen', sondern die Konkurrenten durch minimale Preisgabe eher ‚einschläfern'." Es sei bei der digitalen Übermittlung von Konstruktionsplänen ein Leichtes, wertvolle Daten auszuspähen und illegal zu nutzen. Bestechung einst sogar steuerlich absetzbar

Der anwesende Oberstaatsanwalt musste einräumen, dass deutsche Juristen bislang kaum effektiv gegen internationale Fälscherbanden angehen können. Auch die von Bergrath pointiert dargestellte Lobbyarbeit, die den illegalen Auswuchs von Korruption gebären kann, sei im Prinzip rechtens. Eine Staatsanwaltschaft habe keine vorbeugende Funktion, sondern sie dürfe nur "repressiv tätig" sein. Ein neues internationales Abgeordnetenbestechungsrecht solle nun eine juristische Verfolgung ermöglichen: "Früher war die Bestechung ausländischer Abgeordneter etwa des EU-Parlaments sogar steuerlich absetzbar." Es bleibt, so das Fazit der realitätsnahen Veranstaltung, also noch viel zu tun im Reich der "Täter ohne Blutvergießen".

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