Die Europäer schöpfen wieder Hoffnung

Brüssel · Ausgang der Wahl in den Niederlanden wird als Signal verstanden, dass Auseinandersetzungen mit Populisten gewonnen werden können.

Brüssel Europa atmet auf. Nachdem Regierungschef Mark Rutte in einem coolen Schlussspurt den Wahlkampf in den Niederlanden für sich entschieden und den Islam- und EU-Hasser Geert Wilders entzaubert hat, kommen aus den Hauptstädten Europas Signale der Erleichterung. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutet den Ausgang der Wahl in ein Votum für Europa um. "Die Menschen in den Niederlanden haben auf überwältigende Weise für die Werte gestimmt, für die Europa steht: freie und tolerante Gesellschaften in einem florierenden Europa", schrieb Juncker an Rutte. Der Ausgang der Wahl sei "eine Inspiration für viele". Er freue sich, die "exzellenten Arbeitsbeziehungen" mit Rutte fortzusetzen.
Dänemarks liberaler Regierungschef Lars Løkke Rasmussen twittert: "Schön, dass Ernsthaftigkeit belohnt wird!" Die Reaktionen haben deswegen beinahe einen ausgelassenen Unterton, weil nun das Gesetz der Serie gebrochen scheint, wonach die Populisten bei wichtigen Abstimmungen angeblich immer große Erfolge erringen.
Der Chef der deutschen Christdemokraten im EU-Parlament, Herbert Reul, drückt es so aus: "Das Wahlergebnis zeigt, dass der Rechtspopulismus keine Krankheit ist, die sich unaufhaltbar über die Länder verbreitet. Es gibt Wege und Gegenmittel." Sätze wie diese machen deutlich, wie angekratzt das Selbstbewusstsein der Demokraten und Pro-Europäer ist, nachdem ihnen das Jahr 2016 beim Brexit und den Wahlen in den USA herbe Dämpfer zugefügt hat. Auch das ist nun anders: Endlich einmal durften sie sich auf die Meinungsumfragen verlassen. Die Demoskopen hatten nämlich recht punktgenau vorausgesagt, dass Wilders seine hohen Zustimmungswerte aus dem Winter nicht in Wählerstimmen werde ummünzen können. Die hohe Wahlbeteiligung in den Niederlanden von über 80 Prozent, die das Land seit Jahrzehnten nicht mehr gehabt hat, wird als Hinweis gesehen, dass die Bevölkerung mobilisierbar ist, wenn etwas auf dem Spiel steht.
Geert Wilders hatte unverhohlen damit gedroht, bei einem Wahlsieg die Niederlande aus der EU zu führen. Offensichtlich wollten viele Niederländer mit ihrer Stimme bewusst ein Signal gegen den Nexit und für Rutte setzen, der in Brüssel konstruktiv mitarbeitet und zumal nach dem Austritt der Briten als einer der wichtigsten Partner Berlins gilt. Bei der Analyse wird aber deutlich, dass das Wahlergebnis aber auch keinen Anlass für Euphorie liefert. Der liberal-konservative Premier Rutte, der bereits zwei Wahlperioden die Regierung führt, hat mit seiner Partei VVD ein Viertel der Sitze im Parlament eingebüßt. Die Wilders-Partei hat dagegen zugelegt, sie ist jetzt zweitstärkste Kraft im Land. 2012, bei den letzten nationalen Wahlen, lag sie noch auf dem dritten Rang. Allerdings bei einem sehr stark zersplitterten Parteiensystem, in dem jetzt vier Parteien für die Regierungsbildung nötig sind, es keine Volksparteien mehr gibt und auch diesmal keine politische Kraft weit über die 20-Prozent-Marke hinaus kam.
Die Erfolge von Wilders sind nicht zu leugnen: Er steigert seine Sitze im Parlament von Den Haag von 15 auf 20, in der südlichen Provinz Limburg ist er die stärkste Kraft, ebenso in seiner Heimatstadt Venlo und in Maastricht, der Stadt mit der Europa-Universität. Seine Erfolge feiert er also nicht nur in ländlichen Gegenden, auch in Den Haag und Rotterdam landet er knapp hinter Ruttes Partei auf Platz zwei. Nicht zu vergessen ist zudem, dass Wilders mit seinen immer radikaleren Anti-Islam-Thesen den politischen Diskurs im Wahlkampf bestimmt hat. So sah sich etwa Rutte gezwungen, selbst scharfe Ansagen an die Adresse von Migranten zu machen. Nach dem Motto: Wer sich nicht benimmt fliegt raus. Der Verfassungsexperte der SPD im Europa-Parlament, Jo Leinen, ist denn auch alarmiert, weil "eine eindeutig nationalistische und rassistische Partei zweitstärkste politische Kraft in einem Gründungstaat" der EU werden konnte. "Es gibt keinen Grund, sich bequem zurückzulehnen. Wir müssen hart daran arbeiten, das in den vergangenen Jahren verloren gegangene Vertrauen der Menschen in die Politik zurückzugewinnen - in Brüssel wie in den Mitgliedstaaten."
Demut ist Wilders Sache nicht. Der Mann, der wie sein Idol US-Präsident Donald Trump am liebsten twittert, folgt keinem auf Twitter, hat dagegen knapp eine Million Follower. Als seine Niederlage besiegelt ist, schickt er dann die Botschaft: Rütte sei ihn noch lange nicht los, beim nächsten Mal werde er die Nummer eins.
Der nächste reguläre Wahltermin in den Niederlanden steht 2022 an. Das ist noch weit hin. Pro-Europa wittern ihre Chance. Womöglich hat Marine Le Pen, die Chefin der französischen Rechtsextremisten vom Front National, den Mund doch zu voll genommen, als sie prophezeite: 2017 werde das Jahr, "in dem die Völker des kontinentalen Europas erwachen".
Die jüngste Entwicklung ist eine andere: Putzmunter waren schon bei der Wahl des österreichischen Präsidenten eher diejenigen, die die Rechtspopulisten stoppen wollen. Und seitdem es bei der Wahl in den Niederlanden ähnlich war, sehen Optimisten schon den Trend, dass der Rechtspopulismus wieder an Anziehungskraft verlieren könnte. Beobachter gehen davon aus, dass auch der mehr als holprige Start von Trump in den USA AfD, Front National & Co. eher unattraktiv macht. Der Blick der Pro-Europäer nach Frankreich, wo im April und Mai gewählt wird, bleibt dennoch bang: Mittlerweile wird der Kandidat der Konservativen, Francois Fillon, wegen diverser Filz-Vorwürfe von der Staatsanwaltschaft offiziell als Beschuldigter geführt. Von Fillons Skandalen könnte Le Pen profitieren.

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