Die Geburtsstunde des Kronprinzen

Mainz · Im Landtag zieht ein Sturm auf. Die regierende SPD duckt sich nicht länger vor dem scharfzüngigen CDU-Wirbelwind Julia Klöckner, sondern bläst zum Gegenangriff. Der neue Orkan der Genossen heißt Alexander Schweitzer.

Mainz. Eineinhalb Stunden lang scheint gestern im rheinland-pfälzischen Parlament alles so zu sein wie in den vergangenen Monaten. Kaum hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer - gewohnt sachlich - die größte Kabinettsumbildung in der Geschichte des Landes begründet, die vier neue SPD-Minister ins Amt bringt, und betont, Rot-Grün arbeite "so gut wie nur wenige Kabinette in Deutschland", da liest ihr Oppositionsführerin Julia Klöckner kräftig die Leviten.
Immer wieder verziehen die Sozialdemokraten die Gesichter, wenn die CDU-Chefin austeilt. Die Genossen leiden, man kann ihre Qualen bei Klöckners Worten hören, sehen und spüren. Die Kabinettsumbildung sei "die wahrscheinlich größte politische Krise des Landes", stichelt Klöckner. Die Regierungschefin könne ihr Handeln nicht erklären und werde ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Die Umwälzung wirke "kopflos, ja hilflos". Genüsslich zeigt die CDU-Chefin auf, dass Dreyer einige Verantwortliche der Nürburgring-Affäre wie Finanzminister Carsten Kühl und SPD-Fraktionschef Hendrik Hering ausgetauscht habe - aber eben nicht alle. Innenminister Roger Lewentz, Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Alexander Schweitzer und der neue Staatskanzleichef Clemens Hoch seien immer noch da.
Klöckners Angriff gipfelt in der bissigen Aussage: "Wenn alle nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, wenn die Ministerpräsidentin mit niemandem unzufrieden war, wenn Minister, die jetzt gehen müssen, geschätzte Ratgeber waren, wenn das einzige Problem also war, dass man mit Themen nicht mehr durchdrang: Warum haben Sie dann nicht einfach Ihre Pressestellen ausgetauscht?" Fazit der Oppositionsführerin: "Das ist keine Erneuerung. Das ist kein Neuanfang. Das ist eine Inszenierung." Diese diene lediglich dem "bloßen Machterhalt". Neuwahlen seien "das richtige, das ehrliche Instrument", sagt Klöckner.
Es wird still im Saal, als Alexander Schweitzer zum Rednerpult schreitet. Der 2,06-Meter-Hüne, vormals Sozialminister, ist am Morgen von der SPD-Fraktion mit großer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Damit ist er zu Malu Dreyers Kronprinz aufgestiegen, denn an ihm führt in dieser Funktion nach der Landtagswahl 2016 kein Weg mehr vorbei. Keine zehn Minuten vergehen, da klatschen die Genossen begeistert und johlen wie befreit. Denn Schweitzer hält sich nicht lange damit auf, die ausgeschiedenen Minister und das neue Kabinett sowie das "entschlossene Agieren" der Ministerpräsidentin zu loben.Frontalangriff auf Klöckner


Er räumt auch Fehler am Nürburgring offen ein, wobei er betont, man könne das Land nicht auf dieses eine Projekt reduzieren. Aber das Ziel des Pfälzers ist ein anderes, und man merkt, dass er nur darauf gewartet hat, endlich damit loslegen zu können: Schweitzer greift frontal die Opposition an, vor allem Julia Klöckner. Er geißelt deren "Selbstgerechtigkeit und Hochmut, die auch heute hier zum Ausdruck gekommen sind". Er verurteilt Klöckners "Polemik und Inszenierung" als "Oppositionsarbeit für Amateure". Er nennt die Forderung der CDU nach Einführung von Kita-Gebühren "Klöckner-Kindergartensteuer, die Sie nicht umsetzen können, da werden wir vor sein".
Schweitzer geht noch einen Schritt weiter. "Lassen Sie uns mal die Teams vergleichen", sagt er höhnisch. Ex-CDU-Landes-chef Christian Baldauf als "Minister für Ehemaliges" und Fraktionsvize Alex Licht als "Beauftragter für Handballsportwesen" - als Anspielung auf dessen Einsatz für Sponsoringgeld des Flughafens Hahn für die HSG Irmenach - "es ist recht trübe in Ihren Reihen", spottet Schweitzer.
In seinem Fazit zitiert der SPD-Politiker CDU-Generalsekretär Patrick Schnieder, der mit Blick auf die SPD "Zurück in die Zukunft" geurteilt habe - "damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen". Schweitzer: "Wir wollen weiter gestalten. Wir sind bereit."
Die neue Angriffstaktik der Regierungsfraktionen verfolgt auch Daniel Köbler, Chef der Grünen. Die CDU habe "keine alternativen Konzepte für drängende Fragen", sondern verbreite "nur heiße Luft". Er sei enttäuscht von Julia Klöckner. "Es ist Ihr gutes Recht, Dinge zu kritisieren - aber das reicht nicht", sagt Köbler. Das sei vielmehr "Ausdruck von Oppositionsversagen".

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