Die (geheime) Route der gefährlichen Fracht

Trier · Es kommt aus Kasachstan oder aus Afrika und wird vom Hamburger Hafen aus quer durch Deutschland transportiert: das gefährliche, radioaktive Urankonzentrat. Bis zu fünf Mal im Monat rollt ein Zug mit dieser Fracht durch die Region.

 Der Urantransport, der vorige Woche in Hamburg startete (großes Bild) und dann auch durch die Region Trier fuhr. Das gefährliche Urankonzentrat ist unter anderem in dem blauen Container (rechts). Das kleine Bild zeigt einen Urantransport, der im Mai durch Trier-Ehrang fuhr. TV-Fotos: Wolfgang Hoffmann/Tim

Der Urantransport, der vorige Woche in Hamburg startete (großes Bild) und dann auch durch die Region Trier fuhr. Das gefährliche Urankonzentrat ist unter anderem in dem blauen Container (rechts). Das kleine Bild zeigt einen Urantransport, der im Mai durch Trier-Ehrang fuhr. TV-Fotos: Wolfgang Hoffmann/Tim

Trier. Die gefährliche Fracht erreichte den Hamburger Hafen am Samstag, 12. Juli. Um 8.07 Uhr ist das unter der Flagge Maltas fahrende Frachtschiff Sheksna über den Nord-Ostsee-Kanal in den Hafen eingefahren. An Bord 17 Container, insgesamt rund 500 Tonnen, mit Urankonzentrat, dem sogenannten Yellow Cake, aus Kasachstan. Per Zug ist das für Herstellung von Kernbrenn-stäben für Atomkraftwerke benötige Urankonzentrat von der Produktionsstätte Tortkuduk in Südkasachstan nach Russland transportiert und dort auf die Sheksna verladen worden.
Bei der Verladung im Hamburger Hafen kommt es nach Beobachtungen von Atomkraftgegnern jedoch zu Verzögerungen. Die Wasserschutzpolizei soll am Montag vor einer Woche ein Beförderungsverbot für vier der 17 Container verfügt haben, weil die Sicherheitsplaketten (vergleichbar mit der Tüv-Plakette beim Auto) abgelaufen gewesen sein sollen. Das Amt für Arbeitsschutz habe daraufhin untersucht, ob die Container Beulen oder Risse haben. Anscheinend ist die Untersuchung ohne Beanstandung verlaufen, jedenfalls soll die Behörde dann das Verladen auf einen Zug und die Fahrt nach Frankreich genehmigt haben. Nach Beobachtung von Atomkraftgegnern setzte sich der Zug mit der brisanten Fracht am Montag, 14. Juli, gegen 18 Uhr vom Hamburger Hafen aus in Bewegung und fuhr dann - überwiegend nachts - quer durch die Republik. Die Atomgegner haben anhand von Beobachtungen die Route des Uranzuges nachverfolgt. Demnach fuhr der Transport am Mittwoch, 16. Juli, gegen 9.30 Uhr durch Trier - und von dort aus dann über Konz und Saarburg durchs Saarland über Saarbrücken nach Frankreich. Vergangenen Freitag gegen 8 Uhr haben die 17 Container dann das südfranzösische Narbonne erreicht. Von dort aus wurden sie dann in den Vorort Malvési transportiert. Dort betreibt der staatliche französische Atomkonzern Areva eine Urananreicherungsanlage. Areva ist der zweitgrößte Uranproduzent der Welt. Seine Hauptproduktionsstätten liegen in Kasachstan und im afrikanischen Niger.
Aus Afrika, genauer aus Namibia, stammte nach Beobachtungen von Atomkritikern das Urankonzentrat, das Mitte Mai in neun Containern per Zug von Hamburg aus auch durch die Region Trier nach Narbonne transportiert worden ist.
TV-Recherchen haben ergeben, dass bis zu fünf solcher Atomzüge pro Monat quer durch die Republik und damit auch durch die Region fahren. Bereits 2007 berichteten Umweltschützer, dass regelmäßig solche Transporte durch die Region gehen. Bereits damals beschwerten sich die örtlichen Katastrophenschutzbehörden bei den betroffenen Kreisverwaltungen, dass sie nicht darüber informiert wurden. Begründet wurde dies damals vom Land mit der "Unzweckmäßigkeit im Hinblick auf Sicherungsaspekte und Nichterforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung".Ahnungslose Verwaltungen


Daran geändert hat sich nichts. "Der Landkreis Trier-Saarburg als Katastrophenschutzbehörde hatte und hat keine Kenntnis von solchen Transporten", sagt Kreissprecher Thomas Müller. Auch die Stadt Trier und die Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich sind nicht über die Uran-Transporte informiert, obwohl die Züge durch deren Zuständigkeitsgebiete rollen.
2008 war es zu einem Zwischenfall mit einem solchen Zug gekommen. Im französischen Grenzort Apach an der Mosel, in der Nähe von Perl, wurde ein Uran-Transport aus Hamburg gestoppt, weil er völlig überladen war. Das Uran war ebenfalls für die Anlage in Narbonne bestimmt. Apach sorgte 1997 für Schlagzeilen, als dort ein Castor-Transport mit mehreren Atommüllbehältern entgleiste. Seitdem dürfen dort, und damit auch entlang der Obermosel über Perl nach Trier, keine Castor-Transporte mehr durchfahren. Im Gegensatz zu Urantransporten, die sehr wohl diese Strecke benutzen dürfen und wohl auch benutzen. Häufig jedoch fahren sie nach TV-Informationen nicht über Perl, sondern über Saarburg, Mettlach, Merzig und Saarbrücken nach Frankreich.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Stephanie Nabinger (Saarburg) fordert ein Ende dieses Atomtransits. Sie verlangt, dass Rheinland-Pfalz die Durchfahrt dieser Züge verbietet. So wie Luxemburg. Dort werden Transporte radioaktiven Materials nicht genehmigt. Nabinger will von der Landesregierung wissen, wie viele solcher Transporte seit vergangenem Jahr durch Rheinland-Pfalz gefahren sind.Extra

Urankonzentrat, auch Yellow Cake (gelber Kuchen) genannt, ist ein gelbes, pulverförmiges Uran-Gemisch. Es wird aus Minen-Uranerz gewonnen. Das Konzentrat gilt als hoch giftig und ätzend, wenn es in Kontakt mit Luft kommt. Es wird für die Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke benötigt. Dazu wird es chemisch behandelt (angereichert) und zu gasförmigem Uranhexafluorid umgewandelt. red

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