Die Gene sind schuld

TRIER. (wie) Welche Rolle spielen genetische Ursachen beim Aufmerksamkeitsdefizit (ADS)? Dieser Frage geht ein Forschungsprojekt der Universität Trier nach.

Warum Kinder ADS bekommen und krankhaft hyperaktiv (ADHS) werden, ist noch nicht bis ins Letzte erforscht. Nur soviel ist klar: Es handelt sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine Störung, "ein Extrem des Normalen", erklärt der Trierer Verhaltensgenetiker Jobst Meyer. Der Uni-Professor vermutet, dass bis zu 80 Prozent genetische Ursachen für ADS verantwortlich sind. Auch Umweltfaktoren wie Stress können zu der Störung führen, die oft nur noch mit Medikamenten behandelt werden kann. Zusammen mit dem Doktoranden Haukur Palmason und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Jessica Sigmund versucht er nun herauszufinden, inwieweit die Störung genetisch vererbt wird. Es dürfte sich dabei um eines der derzeit größten ADS-Forschungsprojekte in Deutschland handeln. Gefördert wird es von der Deutschen Forschungsgesellschaft. Ziel sei es, zum einen Grundlagen für eine bessere, gezieltere Therapie zu erarbeiten, aber auch ein besseres Verständnis der Gehirnfunktionen zu bekommen, sagt Meyer. Neben der Abteilung Verhaltensgenetik der Uni Trier sind auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Mutterhauses in Trier sowie die Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie der Uni-Klinik in Homburg beteiligt. Meyer hat bereits vor vier Jahren Schlagzeilen gemacht. Als Wissenschaftler an der Würzburger Julius-Maximilians-Uni hat er herausgefunden, dass eine Erbkrankheit drei bis zehn Prozent aller Fälle von Schizophrenie ausmacht. Diese Erkenntnis wurde damals als "eine der möglicherweise wichtigsten Entdeckungen in der modernen Medizin" gefeiert. Meyer hofft, dass die Erkenntnisse aus dem neuen Projekt ähnlich spektakulär werden. Denn erste Ergebnisse aus den Reihenuntersuchungen lassen darauf schließen, dass Hyperaktivität durch das ungünstige Zusammentreffen völlig gesunder Gene entstehen kann. "Das bedeutet, Geschwister können betroffen sein, ohne dass Eltern oder die Nachkommen der Kinder die Störung haben", erklärt der Verhaltensgenetiker. Daher werden bei dem Projekt Eltern und betroffene Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren untersucht. Neben spielerischen, knapp eineinhalbstündigen Interviews mit den Kindern gehören zu den Untersuchungen auch Blutproben von Eltern und Kindern. "Den Kindern macht das normalerweise richtig Spaß, weil wir sie nicht als Kranke behandeln", erklärt Jessica Sigmund. Die meisten gingen ganz unbefangen mit ADS um, sagt Meyer. Und immerhin gibt es für die Kinder nach der Untersuchung auch 20 Euro. Um diese komplexe vererbte Eigenschaft nachzuweisen, müssen möglichst viele Kinder untersucht werden. Bislang nahmen 100 Kinder an dem Projekt teil. Diplom-Psychologe Haukur Palmason rechnet damit, dass frühestens in drei Jahren die ersten verwertbaren Ergebnisse vorliegen. Wer Interesse hat, als ADS-Betroffener an der Untersuchung teilzunehmen, kann sich melden unter Telefon 0651/201-3734.

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