Die hilflosen Helfer

TRIER. Depressionen entstehen vorwiegend durch belastende Ereignisse und durch Verletzung der menschlichen Grundbedürfnisse. Sie äußern sich oft getarnt als Verspannungen, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen oder Kopfschmerzen. Auch Angehörige von depressiv Kranken leiden und brauchen Hilfe.

Erste Alarmzeichen, wie lustloses und passives Verhalten, bis hin zur Isolation, werden vom Umfeld eines depressiv erkrankten Menschen anfangs als Launen, die vorüber gehen, interpretiert und eine Zeit lang hingenommen. Verschwinden die Symptome im günstigsten Fall nach kurzer Zeit wieder wie von selbst, dann ist die Seele sozusagen mit einem Schnupfen davon gekommen. Tritt dieser leider seltene Glücksfall nicht ein, geraten auch die nahen Angehörigen wie Ehepartner, Kinder, Eltern und Geschwister in den Abwärtsstrudel mit hinein. Manchmal so stark, dass sie am Ende selbst behandlungsbedürftig sind. "Anfangs dachte ich, dass mein Mann mit der Zeit einen Ausweg aus seiner beruflichen Krise finden würde. Obwohl ich viel Verständnis für seine Situation aufbrachte, war er ständig schlecht gelaunt und unzufrieden. Weder die Kinder noch ich konnten ihm irgendetwas recht machen. Wir rissen uns buchstäblich alle Beine aus und setzten alle Hebel in Bewegung, um ihn wieder ins normale Leben zurückzuholen. Es war furchtbar mitzuerleben, wie aus einem fröhlichen Menschen ein weinerlicher Nörgler wurde", erzählt Hannelore, deren Mann durch seine Arbeitslosigkeit in eine starke Depression abgerutscht war. Die Verhaltensmuster naher Angehörige, im Umgang mit einem geliebten depressiven Menschen, verlaufen meistens nach einem bestimmten Schema ab: Zuerst wird Trost gespendet, Hoffnung gemacht und aufgebaut. Mit der Zeit, meistens nach Wochen oder Monaten, sind Angehörige derart erschöpft, dass sie an die Grenzen ihrer Liebes- und Leistungsfähigkeit stoßen. Eine Depression bewirkt, dass die Seele eines Menschen nach und nach alle Wahrnehmungen, besonders die positiven, aussperrt. Der Kranke zieht sich regelrecht aus dem Leben zurück und erweckt den Eindruck, als ob er am liebsten alleine gelassen werden möchte. Das trifft besonders die Angehörigen. Nicht selten geraten sie selbst in seelische Not, was gerne übersehen wird. Sie fühlen sich macht- und hilflos, da ihre ständige Zuwendung, Rücksichtnahme und das große Verständnis, das sie dem Kranken entgegenbringen, ohne Echo bleibt. Oft schwanken sie gleichzeitig zwischen Mitleid und Verärgerung, glauben jedoch, ihre eigenen Gefühle unterdrücken zu müssen und leben dadurch permanent im Stress. Im Gegensatz zu Außenstehenden können sie einen depressiven Angehörigen nämlich nicht meiden. "Immer wieder versuchte ich meinen Mann zu motivieren, sich helfen zu lassen, aber diese Gespräche machten alles nur noch schlimmer. Nicht selten wurde er richtig aggressiv oder zog sich wortlos zurück. Einmal sagte er sogar, dass er sich am liebsten das Leben nehmen würde. Danach ließ er sich stundenlang nicht mehr blicken. Ich wurde fast verrückt vor Angst um ihn. Als er nach einem halben Jahr auch noch damit begann, seinen Kummer im Alkohol zu ertränken, hielt ich es nicht mehr aus. Ich erkannte, dass meine Hilfe Grenzen hatte und zog vorübergehend mit den Kindern zu meiner Schwester. Ich war erleichtert und froh, als mein Mann nach einer Woche von sich aus auf mich zu kam und mir sagte, dass er sich zu einer Therapie angemeldet hätte", gibt Hannelore erleichtert zu, die durch die befristete Trennung von ihrem Mann einen Weg gefunden hatte, sich aus der Abwärtsspirale zu befreien. Ihr Mann nahm während seiner Therapie eine Teilzeitarbeit an, die ihm ein befreundeter Architekt angeboten hatte. Maria Graf stammt aus Ollmuth (Kreis Trier-Saarburg) und führt eine psychologische Beratungspraxis in Schaffhausen.

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