"Die Kasse hat gestimmt"

Die Spurensuche im Untreuefall der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll (Landkreis Vulkaneifel) läuft. Den Vorwurf mangelhafter Kontrolle lässt Bürgermeister Werner Arenz nicht gelten.

Jünkerath. Wie der verhaftete VG-Finanzverwalter genau vorgegangen ist, lässt sich nur schwer erklären. Es ähnelt, grob gesagt, dem (erfolgreichen) Versuch, mit dem Sparbuch einen Geldautomaten anzuzapfen. Technisch unmöglich — aber der Kämmerer fand eben doch einen Weg.Da ist die so genannte Einheitskasse: die Buchungsstelle, die alle Haushalte der VG und ihrer Eigenbetriebe, der Ortsgemeinden und Zweckverbände verwaltet. Die dort aufgeführten Zahlen werden vom Computer-System automatisch verbucht, von einem Haushaltsjahr ins nächste übertragen und aktualisiert. Hier gibt es ein Konto, das ausschließlich abwicklungstechnische Buchungen vornimmt, die aber keine Auszahlungen zur Folge haben dürften.Genau an dieser Stelle jedoch setzte der Kämmerer offenbar an. Er fand heraus, dass von eben diesem "passiven" Konto auch Zahlungen möglich waren. Das war die von Bürgermeister Werner Arenz angesprochene "Lücke im System". Eine Lücke jedoch kann man nur schließen, wenn man von ihr weiß. Also wurden dieses Konto und das EDV-Programm, das in vielen Verwaltungen eingesetzt wird, nie näher untersucht.Hinzu kommt, dass die Überweisungen sich in einem unauffälligen Bereich bewegten. Erst in den vergangenen Wochen änderte sich das: Dem Geldwäsche-Beauftragten der Düsseldorfer Citibank (dort ging das Geld hin, auf ein Privatkonto des Kämmerers) waren verstärkt auftretende Bargeld-Verfügungen aufgefallen.Kaninchen ja, Sündenbock nein

"Wir werden damit in die Literatur der Bundesrepublik Deutschland eingehen", sagt Werner Arenz. "Aus diesem Fehler werden viele lernen — und neue Software entwickeln. Leider mussten wir das Versuchskaninchen spielen."Kaninchen ja, Sündenbock nein: "Den Schuh ziehe ich mir nicht an", reagiert Arenz auf den Vorwurf, dass die Unterschlagung auch auf mangelnde Kontrolle zurückzuführen sei: "Das ist unseriös. Und es fällt aufs ganze Haus zurück", sagt er und stellt sich schützend vor seine Mitarbeiter."Wir machen jedes Jahr eine unangekündigte Kassenprüfung, vergleichen das buchmäßige Soll mit den tatsächlichen Kassenbeständen — an der Oberen Kyll zuletzt im Oktober", sagt Helmut Klassmann von der Pressestelle in der Dauner Kreisverwaltung. "Und die Kasse hat gestimmt." Zusätzlich erfolge alle fünf Jahre eine Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt. Auch dabei seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden.Die jährlichen Haushaltspläne der Orts- und Verbandsgemeinden überprüft die Kreisverwaltung auf ihre Rechtmäßigkeit. Bei Fehlbeträgen geht es etwa um die Frage, ob bestimmte Ausgaben unabweisbar sind. "Wir haben nicht jede politische Entscheidung der Räte zu bewerten. Dafür gibt es die Selbstverwaltung der Kommunen", stellt Klassmann fest und verweist auf die Rechnungsprüfungsausschüsse.Über Details der Veruntreuung will sich die Kreisverwaltung nächste Woche in Jünkerath ein eigenes Bild machen.Derweil sieht sich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier außen vor, wie Sprecher Michael Ziewers erklärt: "Für Verbandsgemeinden ist die untere Kommunalaufsicht zuständig. Wir prüfen nur die Haushalte der Kreise und kreisfreien Städte."

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