Die meisten Reisenden suchen sich Alternativen

Trier/Köln/Berlin · Viele Menschen haben wegen des Lokführerstreiks gar nicht erst versucht, mit der Bahn zu reisen. Auch in Trier, wo mehr als die Hälfte der Züge ausfiel, blieb es am Hauptbahnhof sehr ruhig.

Trier/Köln/Berlin. Wenn der Lokführerstreik zu Chaos führt, dann tut er dies woanders. Obwohl mindestens jeder zweite Zug ausfällt, ist es am Trierer Hauptbahnhof fast schon gespenstisch ruhig. Leer liegen Gleise und Bahnsteige im Novembernebel. Dann rollt eine Bahn aus Luxemburg ein. Da diese für Pendler wichtigste Verbindung trotz allem funktioniert, sind die im Berufsverkehr erwarteten Probleme am Donnerstag ausgeblieben.
15 bis 20 Trierer Lokführer sind laut Frank Lerch, Sprecher der Trierer Gewerkschaft der Lokführer (GDL), im Streik. Zu sehen sind sie jedoch nirgends. Kein Wetter, um sich mit Plakaten vor den Bahnhof zu stellen.
Drinnen sitzt ein erkennbar schlecht gelaunter Mann, der längst auf dem Weg nach Essen sein wollte und stattdessen nun in der Wartehalle missmutig in seinen Döner beißt. "Viel Werbung, null Service", schimpft er über die Bahn im Allgemeinen und wartet dann weiter auf eine Mitfahrgelegenheit, die sein Sohn für ihn im Internet organisiert hat.
Ihm gegenüber sitzt Helga Feilen, die später als erwartet aus Trier wegkommt und auch nicht in ihrem Heimatort Schoden aussteigen kann. Sie nimmt es gelassen, auch, wenn sie findet, dass die Lokführer "jetzt bald mal aufhören könnten".
Trotz des Notfallfahrplans der Deutschen Bahn haben sich die meisten Reisenden offenbar direkt eine Alternative gesucht. Sehr zur Freude der Fernbus-Unternehmen. "Die Buchungen haben sich vervierfacht", sagt Christian Weber, Projektleiter der Fernbuslinie bei den Stadtwerken Trier. So biete MeinFernbus in Zusammenarbeit mit seinen 87 Buspartnern bundesweit täglich 130 Extrafahrten an. Am Freitag und Sonntag auch je zwei Zusatzfahrten zwischen Trier und Frankfurt. Ähnlich sieht es bei den Fernbusunternehmen DeinBus und FlixBus aus, die Trier ebenfalls ansteuern. Bei den Flughafenshuttles von Flibco zeigt der Streik hingegen keine Wirkung. Da die Preise für Online-Tickets sich - ähnlich wie bei manchen Fluglinien - nach dem Grad der Ausbuchung richten, stiegen sie auf begehrten Routen. So wären gestern für eine Fahrt nach Frankfurt, die es ab elf Euro gibt, bei nur noch drei freien Plätzen 25 Euro angefallen. Das weit verbreitete Gerücht, die Busunternehmen hätten den Streik genutzt, um ihre Preise drastisch zu erhöhen, bestätigt sich nicht.Erstaunlich entspannte Kunden


Und wie sieht es im Rest von Deutschland aus? Immerhin jeder dritte Zug im Fernverkehr fährt. Viele Kunden sind erstaunlich entspannt. Denn Etliches läuft besser als befürchtet. Zum Beispiel in Köln: Kein Gedränge am Bahnsteig, im Zug viele freie Plätze zur Auswahl. "Ich war extra früh hier, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass mein Zug wirklich fährt", sagt Christina Poppers. Ihr Regionalexpress kommt am Donnerstagmorgen überpünktlich. Die 38-Jährige steigt ungläubig ein. Der Zug wird Düsseldorf planmäßig erreichen - und Poppers ihren Arbeitsplatz.
Ob Köln, Frankfurt oder Berlin - die Szenen gleichen sich: Statt Chaos und Extra-Stress wird gescherzt, man ist locker und entspannt. Der Berliner Hauptbahnhof ist morgens um acht Uhr fast menschenleer. Am zentralen Info-Schalter des Frankfurter Hauptbahnhofs kommen am Mittag auf einen Kunden zwei Service-Mitarbeiter und ein Fernsehteam. Wartende Fahrgäste am Bahnsteig klatschen in Berlin sogar Beifall, wenn eine S-Bahn eintrifft - aus Freude darüber, dass sie doch noch kommt.
Trotz guter Stimmung war es für Berufstätige und Urlaubsreisende ein Ausnahmetag, der erste von vier aufeinanderfolgenden. Denn der Ausstand der Lokführer dauert noch bis zur Nacht auf Montag. Die Unannehmlichkeiten für Millionen Menschen blieben oft verborgen. Viele stiegen aufs Auto um, buchten einen Platz im Fernbus oder verlegten berufliche Termine in die nächste Woche. Frustriert oder verunsichert bliesen Freunde und Verwandte geplante Wochenendausflüge ab.
Aus der Wirtschaft kam am Donnerstag kaum etwas Alarmierendes. Für die geäußerte Sorge, schon am Wochenende könnte wegen des Streiks bei der Güterbahn das Benzin an den Tankstellen knapp werden, gab es zunächst keine Bestätigung.Extra

Auskunft: Die Nummer der kostenlosen Servicehotline zum Bahnstreik ist 08000/99 66 33. Ersatzfahrplan: Unter www.bahn.de/liveauskunft sind alle Züge aufgelistet, die in den nächsten zwölf Stunden fahren. Auf dem Smartphone sind die Angaben mit der App DB Navigator oder unter m.bahn.de zu finden. Verspätung: Ab 60 Minuten gibt es 25 Prozent des Ticketpreises zurück, ab 120 Minuten 50 Prozent. Ticketrückgabe: Bei Zugausfällen oder langen Verspätungen können Kunden Fahrkarte und Reservierung kostenlos stornieren und sich das Geld erstatten lassen. Antrag: Das Fahrgastrechte-Formular ist auf der Webseite der Bahn unter dpaq.de/n77jr zu finden. Internationale Verbindungen: Auch bei Fahrten ins Ausland müssen Bahnkunden mit Zugausfällen und Verspätungen rechnen. Taxi und Hotel: Fahrgäste dürfen aufs Taxi umsteigen, wenn der Zug mindestens 60 Minuten Verspätung hat und planmäßig zwischen 0.00 und 5.00 Uhr morgens ankommt. Maximal werden 80 Euro erstattet. Die Bahn zahlt auch eine Übernachtung im Hotel, wenn die Weiterreise am selben Tag nicht mehr zumutbar ist. Arbeitsweg: Wegen des Streiks später ins Büro kommen? Das gilt nicht als Ausrede. Der Chef darf dann den Lohn kürzen. Busse und Mietwagen: Wer auf den Fernbus umsteigt, muss mit höheren Preisen aufgrund der großen Nachfrage rechnen. Falls doch ein Zug fährt: Buchungen für Fernbusse und Mietwagen lassen sich oft bis 24 Stunden vor Abfahrt stornieren. Mitfahrangebote: Auf Twitter bieten Nutzer Mitfahrgelegenheiten an, und zwar unter dem Schlagwort: #twitfahrzentrale dpaExtra

Die Fans lassen sich durch den Bahnstreik nicht vom Besuch der deutschen Fußball-Stadien abschrecken. "Fußballfans sind sehr erfinderisch", sagte Sig Zelt, Sprecher des Bündnisses Pro Fans gestern in Berlin. Um die Arenen zu erreichen, bildeten die Fans Fahrgemeinschaften oder mieteten größere Autos. "Das organisieren die dann intern." Allerdings entstehen durch die zu erwartende Verlagerung der Anreise auf die Straße einige logistische Probleme rund um die Stadien: So wurde diskutiert, ob die Partie Eintracht Frankfurt - Bayern München wegen des zu befürchtenden Verkehrschaos\\' abgesagt werden sollte. Am Donnerstagnachmittag bestätigte die Eintracht nach einer Sitzung mit den öffentlichen Sicherheits- und Verantwortungsträgern, dass das Spiel wie geplant am Samstag (15.30 Uhr) stattfindet. Das Stadiongelände wird allerdings bereits vier Stunden, die öffentlichen Parkplätze werden sogar fünf Stunden vor Spielbeginn geöffnet. Und die anderen Spiele? Mainz 05 hat seinen Fans für das Spiel bei Bayer Leverkusen am Samstag einen Busshuttle-Service organisiert - für zehn Euro pro Ticket. Schon heute ist das Spiel Hertha BSC gegen Hannover 96 betroffen. Die U-Bahn soll mit höherer Taktzahl verkehren. Zu weiteren Begegnungen in den Fußball-Ligen hieß es, der Großteil der Fans organisiere seine Anreise selbst. dpa

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