Die neuen Leiden des Jochen Hartloff

Mainz · Für den rheinland-pfälzischen Justizminister Jochen Hartloff (SPD) ist zuletzt so ziemlich alles schiefgelaufen. Im Zank um die geplante Justizreform (siehe auch Bericht unten) sind Zweifel an seinen Fähigkeiten als Krisenmanager zutage getreten. Aber: Der Minister wehrt sich.

Mainz. Was ist mit Jochen Hartloff los? Eine Frage, die in der Landespolitik - auch in der SPD - intensiv diskutiert wird. Der Justizminister wirkte in der Debatte über das Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) wie ein Getriebener: unsichtbar, wo er Kontur hätte zeigen müssen. Verschwommen, wo er hätte Klarheit schaffen sollen. Irgendwie fand der Mann aus Kusel immer die falschen Worte - oder eben gar keine. Mit jedem Tag, den die OLG-Krise währte, sank sein Stern als Krisenmanager. Der Minister ist politisch angezählt.
Alles geht schief


Doch wie ist der einstige SPD-Fraktionschef in diese missliche Lage geraten? Jener umgängliche, joviale Pfälzer, der als einflussreicher SPD-Vormann frei von jeglichen Allüren war? Der die Rolle des stillen Moderators stets der des politischen Haudraufs vorzog?
Für Hartloff ist so ziemlich alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen kann. Es begann im Mai dieses Jahres. Viel zu spät erfuhr oder realisierte er, dass der damalige Wirtschaftsminister Hendrik Hering (SPD) ihn als Fraktionschef beerben wollte. Sein handstreichartiger Versuch, seine Pfründe in einer vorgezogenen Wahl zu sichern, führte zu einer Bauchlandung. Hartloff musste ins Justizministerium weichen. Verärgert sicherte er sich wenigstens den Verbraucherschutz. Damals noch nicht ahnend, dass er sich wenig später in einer Wiederauflage des Großkonflikts Landesregierung gegen Justiz wiederfinden würde.
Im Streit über die (wohl gescheiterte) Fusion des Koblenzer OLG mit dem OLG Zweibrücken erreichte Hartloff niemals festen Boden unter den Füßen. Er musste Argumente liefern, die er nicht hatte - und wirkte entsprechend hilflos. Wobei man ihm zugestehen muss: Für Jochen Hartloff gab es nie die sonst übliche politische Schonzeit von 100 Tagen im Amt - er hatte nicht einmal 100 Minuten. Vielleicht hoffte der Jurist im Streit mit der Justiz darauf, dass sich die Wogen nach einer Weile wieder glätten würden. Mit dieser Haltung befand er sich in guter Gesellschaft: Viele Genossen haben den Konflikt sträflich unterschätzt, geglaubt, ihn regional begrenzen zu können. Manche sahen auch lediglich eine intelligente, gut organisierte Lobby am Werk, deren gesellschaftliche (und damit mediale) Unterstützung irgendwann nachlassen würde. Doch was Hartloff von vielen Parteifreunden unterscheidet: Er hinterließ den Eindruck, besonders lange an seinem Irrtum festzuhalten.
Im Gegensatz zu ihm hat Ministerpräsident Kurt Beck spät, aber noch nicht zu spät den Anschein erweckt, die Signale des Volkes gehört und auch verstanden zu haben. Der SPD-Chef verschanzte sich zwar sichtlich angefressen hinter der Formulierung, über die Vergangenheit nicht mehr reden zu wollen. Man kann davon ausgehen, dass er auf manche Richter noch immer nicht gut zu sprechen ist. Dennoch: Beck gibt sich sichtlich Mühe, über seinen Schatten zu springen. Hartloff hingegen vermochte es selbst bei der alles entscheidenden Pressekonferenz vor wenigen Tagen nicht, den Kurswechsel glaubwürdig zu verkörpern. Vielmehr wirkte er gequält und gezwungen, verwirrend in der Wortwahl - irgendwie komplett von der Rolle. Nachher hieß es in der SPD, man habe ihn "zum Jagen tragen müssen".

Hartloff selbst hält das Bild, das von ihm entstanden ist, für falsch. Und er hat das Gefühl, dass sich in der SPD jetzt manch einer als Krisenmanager auf seine Kosten profiliert.
Sündenbock gesucht?


"Dabei habe ich lediglich versucht, mich an die Vorgaben des Koalitionsvertrages zu halten", verteidigte er sich im Gespräch mit unserer Zeitung. "Alle wichtigen Beschlüsse wurden gemeinsam gefasst." Für den Minister läuft die ganze Debatte viel zu sehr nach der beliebten Devise ab: alle mitgegangen, einer am Ende gehangen. Die Kritik an seinem Vorgehen will er so nicht auf sich sitzen lassen. Der SPD-Politiker kündigte an, innerparteilich ein paar klare Worte zu reden.
Und der Jurist aus der Pfalz hat seine Fürsprecher. Junge Sozialdemokraten beschreiben ihn als unkompliziert und wertschätzend. "In seiner Zeit als Fraktionschef war seine Tür immer offen", so ein Genosse. Ein anderer meint: "Den Jochen konntest du auch nachts anrufen." Diese Parteifreunde hoffen auf sein rasches Comeback.
Ganz anders die Opposition: Sie sieht in Justizminister Hartloff ein Auslaufmodell. "Bei der nächsten Regierungsumbildung ist er seinen Posten los", meint der frühere CDU-Fraktionschef Christian Baldauf. Jochen Hartloff (56) stammt aus der Pfalz. Er studierte Jura, Soziologie und Kunstgeschichte. Seit 1984 amtiert er als ehrenamtlicher Stadtbürgermeister in seiner Geburtsstadt Kusel. Selbst politische Gegner bescheinigen ihm großen Rückhalt in seiner Heimatregion. In den rheinland-pfälzischen Landtag zog Hartloff 1996 ein. Von 2001 bis Mai 2006 war er parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Von 2006 an übernahm er dann deren Vorsitz - eine Schlüsselposition. Am 18. Mai 2011 wurde er schließlich zum Minister für Justiz und Verbraucherschutz ernannt. Hartloff tritt gern salopp auf und trägt fast nie Krawatten. Mit seiner langjährigen Lebensgefährtin hat er zwei Söhne. DB

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